Passend zum nasskalten Wetter draußen, beschäftigt uns heute: laufenden Nasen, aber nicht bei Menschen, sondern Kälbern. Auch, wenn eine laufende Nase auf den ersten Blick harmlos scheint, kann sie schnell zu einer ernsthaften Erkältung werden, die sich unbehandelt schnell zur Lungenentzündung weiterentwickeln kann.
Wo genau hierbei das Problem liegt und warum eine laufende Kälberschnupfnase ein Ausschlusskriterium beziehungsweise ein verfrühtes Ausscheiden für die Zukunft des Kalbes als Milchkuh verantwortlich sein kann, erfährst du jetzt. Bei Fragen, Anmerkungen, oder Gedanken, darfst du mir wie gehabt jederzeit schreiben.
Hast du dieses Phänomen schonmal beobachtet? Kühe putzen ihre Nasenlöcher mit der Zunge, das fängt schon im Kälberalter an.
Erkrankt ein Kalb an einer Atemwegserkrankung (Risiko steigt ab dem 3. Tag), die unbehandelt bleibt und verschleppt sie gar so lange, bis sie zu einer Lungenentzündung (Pneumonie) wird, dann kann das Lungengewebe nachhaltig vernarben. Die Lunge bleibt bis ins Erwachsenenalter vernarbt und kleiner, als bei Kühen, die im Kälberalter unerkrankt waren. Generell ist die Lunge eines Rindes im Vergleich zu seiner Körpergröße beziehungsweise -gewicht verhältnismäßig klein ausgeprägt und die Entwicklung der Lunge erst im Alter von einem Jahr beendet. An sich ist das unproblematisch, da es in der Natur der Kuh nicht liegt ausdauernde Strecken verglichen mit einem Pferd* zurückzulegen. Denn primär schützt sich die Kuh durch die Herdenformation. *Übrigens hat das Pferd die größte Lunge der Nutztiere.
Also zurück zum Kalb: Eine verzögerte Entwicklung der Lunge in jungen Tagen durch Krankheit sorgt nicht nur für vermindertes Wachstum der Tiere, sondern auch für Störungen in der Ausbildung der lebenswichtigen Organe, deren Größe und Zustand nicht zuletzt für die spätere Milchkuh essentiell sind. Wie in früheren Beiträgen angedeutet, braucht es für die Bildung eines Liters Milch zwischen 300 und 500 Litern Milch, die vom Herzen zum Euter transportiert und zuvor mit Sauerstoff angereichert werden müssen. Dass eine Kuh trotz optimaler Ausgangslage (wie beispielsweise genetischer Abstammung und Fütterung) wenig Milch gibt und schlapp wirkt, kann durchaus in einer früheren Lungenentzündung begründet sein.
Wie wird das Kalb krank?
Eine Erkältung und auch eine Lungenentzündung haben multiple Gründe.
Folgende Faktoren sind maßgeblich für den Krankheitsverlauf entscheidend:
außerdem kann ähnlich wie beim Menschen eine Impfung gegen Grippe für einen milderen Krankheitsverlauf sorgen – welche präventiven Mittel und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt, liest du weiter unten.
In vorherigen Beiträgen war bereits die Immunität der Kälber ein Thema. Da das Kalb im Mutterleib keine Antikörper über die Gebärmutter aufnimmt, ist das neugeborene Kalb auf die Zufuhr von Immunglobulinen in den ersten Lebensstunden angewiesen. Passiv immunisiert wird das Kalb durch die Muttermilch (Kolostrum), die reich an Immunglobulinen, wie IgG ist. Da die Versorgung mit genügend Kolostrum in ausreichender Qualität eine besondere Bedeutung für die Abwehrbereitschaft des Immunsystems und damit dem Risiko für Krankheiten, die auf ein schwaches Immunsystem zurückzuführen sind, ist die Mindestmenge an Kolostrum gesetzlich vorgeschrieben.
Im Gesetz ist daher festgelegt, dass ein neugeborenes Kalb in den ersten vier Lebensstunden mindestens zwei Liter aufnehmen muss. (TierSchG)
Aber Kolostrum ist nicht gleich Kolostrum, werden die Kälber trotzdem krank, so ist nicht auszuschließen, dass das Kolostrum von minderer Qualität ist. In diesem Fall sollte daher auch der Gehalt des Kolostrums an Antikörpern (Immunglobuline) gemessen werden.
Wie beim Menschen auch begünstigt Stress ein geschwächtes Immunsystem und kann damit eine Atemwegserkrankung den Weg ebnen. Die negative Beeinflussung durch Stress beginnt genau genommen schon vor der Geburt und damit kann auch unverhältnismäßige Geburtshilfe (z.B. durch zu schnellen Eingriff) das Stresslevel von Muttertier und Kalb erhöhen. Danach können Transporte und das Umstallen/boxen von Kälbern Stress begünstigen. Ein Tier mit einem höheren Stressniveau braucht im Umkehrschluss mehr Energie für die Aufrechterhaltung des Immunsystems. Vereinfacht kann Stress nämlich als Alarm verstanden werden – ein Alarm, der mit dem Alarm, den ein Krankheitserreger auslösen würde, konkurriert. Ein Immunsystem eines gestressten Individuums muss also auf „mehreren Hochzeiten“ tanzen und das funktioniert weniger effizient, als das Immunsystem eines nicht gestressten Tieres, das auf einer Baustelle auf Hochtouren laufen bzw. feuern kann.
Auch die Versorgung des Tieres beeinflusst das Risiko für eine Erkrankung. Frisches Einstreu und eine gute Grundhygiene (zum Beispiel beim Einstallen neuer Kälber) sind genauso wichtig, wie die Bereitstellung von ausreichend frischem Wasser. In den ersten Wochen braucht das Kalb zwischen ein und zwei Litern Wasser pro Tag.
Der Wasserbedarf (Achtung! Nicht zu verwechseln mit Milchbedarf!) eines Kalbes schwankt jedoch je nach Alter und kann bei Erkältungssymptomen auf bis zu 30 Liter pro Tag steigen (mindestens hat ein Aufzuchtkalb einen Grundbedarf von fünf Litern pro Tag) vgl. KTB:934.
Kalb mit Kälberdecke
Die Kälberdecke wird unter dem Bauch festgeklopft, wie eine Decke auf dem Rücken eines Pferdes
Ganz besonders wichtig ist das Mikroklima im Stall, je nach Altersstufe hat auch das Rind eine unterschiedliche Wohlfühltemperatur. Während ein Kalb einen Temperaturtoleranzbereich von 16 bis 20 Grad hat, liegt die Wohlfühltemperatur einer ausgewachsenen Kuh bei circa 6 Grad (Toleranz von 0 bis 20 Grad). Die gefühlte Temperatur ist aber auch von der Luftfeuchte abhängig, die zwischen 70 und 80 Prozent liegt. Kurz um muss die Luftfeuchte mit der Temperatur harmonieren. Außerdem braucht das Kalb einen gewissen Luftaustausch (frische Luft), aber keine Zugluft. Sprich ein hermetisch abgeriegelter Stall ist genauso kontraproduktiv, wie ein Kälber-Iglu, dass mit der Öffnung in die Hauptwindrichtung steht. Wichtig ist in jedem Fall ein Mikroklimabereich, in dem die Kälber vor Zugluft geschützt sind.
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Für diesen Beitrag war ich sowohl mit einer Beraterin, als auch mit einem Praktiker im Gespräch und habe folgende Quellen zu Rate gezogen:
KTBL (2021): Faustzahlen für die Landwirtschaft, 15. Aufl., Darmstadt, Deutschland, YARA
MSD Gesundheit (2021): Erreger der Rindergrippe im Überblick, MSD [online] https://www.msd-tiergesundheit.de/fokusthemen/rindergrippe-information-fuer-landwirte/krankheitsfaktoren/erreger-der-rindergrippe-im-ueberblick/ [abgerufen am 14.12.2021].
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