Auf Follower:innen-Wunsch folgt nun ein Beitrag über Kraftfutter am Beispiel einer Milchkuh. Du hast auch ein Thema auf dem Herzen? Prima, dann schreib mir deinen Themenwunsch und ich nehme ihn mit auf meine To-Do-Liste.
Was genau Kraftfutter genau ist und warum Kraftfutter für die Gesundheit einer frischabgekalbten Kuh zwingend erforderlich ist, erfährst du in diesem Beitrag.
Was verbirgt sich hinter dem Namen „Kraftfutter“? Auseinandergenommen stecken da erst einmal „Kraft“ und „Futter“ drin – soweit so gut. Klar ist also bis hierhin, dass es sich um ein Futtermittel handelt, das augenscheinlich Kraft geben soll. Wenn ein Körper Kraft benötigt, dann braucht er vor allem Energie, denn die verbraucht er bei kraftaufwendigen Aktivitäten in Form von Adenosintriphosphat (ATP). Und wo ATP verbraucht wird, muss neues bereitgestellt werden, damit der Körper nicht ermüdet (die Leistung nicht einbricht).
Vereinfacht gesagt ist Kraftfutter ein Eiweiß- und Energielieferant, denn Kraftfutter ist ein hochenergetisches, trockenes und faserarmes Futtermittel. Kraftfuttermittel sind hochverdaulich, in der Regel liegt ihre Verdaulichkeit (also den Anteil, den ein Tier real nutzen kann) über 80 Prozent.
Viel Kraftfutter = viele Muskeln ???
Ein massig-wirkendes Tier muss aber nicht per se auf einen hohen Einsatz von Kraftfutter zurückgehen. Ein Beispiel: Hier siehst du ein Bullenkalb der Rasse Weiß-Blauer-Belgier (nicht ganz reinrassig), die Reinzucht dieser Tiere ist in Deutschland verboten. Seine ausgeprägten Muskeln sind nicht angefüttert, sondern gehen auf eine Mutation zurück. Mutiert ist das sogenannte Myostatingen, das für das Muskelwachstum verantwortlich ist. Reinrassige Weiß-Blaue-Belgier sind durch diese Mutation besonders muskulös und haben einen sogenannten Doppellender (doppelten Hintern). Generell ist das Muskelwachstum wie der Muskelfleischanteil genetisch fixiert, kann also nicht unbegrenzt „angefüttert“ werden. Zwar unterstützt KF die Gewichtszunahmen, kann sie aber nicht über die genetisch fixierten Grenzen hinaus beeinflussen. Aus einem reinrassigen Holstein Frisian Bulle kann Kraftfutter keinen Weiß-Blauen-Belgier zaubern. Viel Kraftfutter sorgt übrigens nicht für viele Muskeln, sondern eher für Bauchweh – wie, als würden wir uns nur von Süßigkeiten ernähren.
Kraftfutter am Beispiel einer Milchkuh
Wir stellen uns nun einmal exemplarisch eine Milchkuh vor.
Warum braucht die „Otto-Normal-Milchkuh“ von heute Kraftfutter? Die einfache Antwort lautet, weil Milchkühe Hochleistungssportler sind. Vielleicht klingt das komisch, wenn man berücksichtigt, dass Kühe mit bis zu 9 Stunden nicht wenig Tageszeit damit verbringen wiederzukauen und sie sich dabei meist in einer liegenden Position befinden. Dabei läuft hinter den Kulissen – also in der Kuh – der Stoffwechsel auf Hochtouren. Was der Betrachter von außen nicht sieht, sind die Mengen von Blut, die das Herz einer Kuh täglich zu den Drüsenzellen im Euter (Bildungsort der Milch) transportieren.
Eine hochleistende Kuh ist, wie ein Sportler, auf energiedichtes Futter angewiesen, das heißt es muss gewährleistet sein, dass das Futter die nötige Energie für ihre hohe Leistung bereitstellt. Würde das nicht passieren, dann würde sie in ein Energiedefizit rutschen. Die Schwierigkeit ist, dass eine Kuh nicht unendlich viel Futter aufnehmen kann, Schuld daran ist das Wiederkauen. Denn durch die Abfolge von Hochwürgen, Wiederkauen, Abschlucken und erneutem Wiederkauen, können bis zu 50 Stunden vergehen, bis die Kuh einen Nahrungsbissen vollständig kleigemahlen und in den Dünndarm weitertransportiert hat. Dadurch verbringt die Nahrung die meisten Zeit im sogenannten Pansen. Der Pansen ist der Hauptmagen der insgesamt vier Mägen einer Kuh, die da wären:
Pansen –> Netzmagen –> Blättermagen –> Labmagen
Der Netzmagen (auch Haube) ist eng mit dem Pansen verbunden und quasi eine Art Sortierschleuse – große Partikel werden erneut hochgewürgt und zerkaut und kleinere Partikel werden in den Blättermagen weitergeleitet. Der Blättermagen ist eine Art Pumpe, die feste Bestandteile zurück in den Pansen und Flüssigkeit in den Labmagen befördert. Und der Labmagen ist der Hauptmagen des Kalbes und der saure Magen der Kuh, als unmittelbare Vorstufe des Dünndarms.
Ein Pansen macht mit fast 200 Litern Fassungsvermögen 80 % des gesamten Verdauungstrakts aus, hier fermentiert die Kuh ihre Nahrung und lagert sie zwischen (bis zu 50 Stunden). An diesem Ort wird Kraftfutter explosionsartig fermentiert, das heißt die enthaltene Stärke aufgeschlossen in kleinere Kohlenhydrate (Einfachzucker) und Glucose und dann unmittelbar als kurzkettige Fettsäuren über die Pansenzotten (Strukturen auf der Pansenwand) aufgenommen. Pansenzotten kann man sich exemplarisch wie einen fein geknüpften Teppich vorstellen, mit diesem ist die gesamte Pansenwand „verkleidet“. Durch diese Strukturen wird die Oberfläche des Pansens um das 7fache vergrößert und macht sie besonders effizient – denn je größer die Oberfläche, desto höher ist die Absorptionsleistung.
Die Futteraufnahme ist durch die „Passagerate“ begrenzt. Darunter versteht man die Zeit, die vom Nahrungsbissen im Maul bis zum Ende des Verdauungstraktes vergeht. Jeder Bissen im Verdauungstrakt begrenzt den „verfügbaren Platz“ in der Kuh für neue Nahrung und dieser Platz ist vor allem in einer frischabgekalbten Kuh noch gering (Gebärmutter bildet sich erst in den Wochen nach der Salbung langsam zurück). Um genügend Energie zu füttern und das Energiedefizit so klein wie möglich zu halten, braucht es daher Kraftfutter.
Weißt du, warum Kühe Gras verdauen können und wir Menschen nicht?
Das liegt vor allem daran, dass der Pansen der Kuh dicht besiedelt ist von Einzellern und Bakterien. Zusammen machen diese Mikroorganismen eine Masse von sieben Kilo aus – bei einer Kuh, die 600 kg auf die Waage bringt, entfällt also 1 Prozent des Körpergewichts alleine auf die Mikroorganismen im Pansen. Durch die lange Verweildauer im Pansen und die aktive Mithilfe der Mikroorganismen, besitzt die Kuh eine effiziente Fermentation von Verbindungen wie Zellulose und Lignin. Lebewesen mit einhöhligen Mägen besitzen diese Skills nicht und fermentieren meistens mit geringerer Effizienz im Dickdarm (und damit relativ weit am Ende des Verdauungstraktes). Die Mikroorganismen haben also eine Schlüsselrolle in der Verdauung der Kuh. Denn im Grunde genommen zielt die Fütterung der Kuh darauf ab die Pansenmikroben zu ernähren, die wiederum die Kuh ernähren. Die Gesundheit der Mikroorganismen wird auch durch das Milieu im Pansen beeinflusst – ist es zu alkalisch (sauer), verändert sich die mikrobielle Gemeinschaft (einige sterben ab, andere vermehren sich). Optimal gilt ein Pansen-pH über 6. Dann geht’s sowohl den Mikroorganismen, als auch den Kühen gut.
Wieviel Kraftfutter frisst eine Kuh?
Die Gabe von Kraftfutter kann separat von der Hauptmahlzeit erfolgen, dafür gibt es beispielsweise Kraftfutterautomaten in den Ställen, die quasi wie ein „Walk-in“ funktionieren. Hierbei erkennt der Automat die Kuh an einem Transponder, das ist ein Sensor an ihrem Halsband. Der Transponder verhindert auch, dass eine Kuh mehr als ihre tägliche Dosis bekommt. Eine andere Möglichkeit ist, das Kraftfutter zusammen mit den Hauptmahlzeiten zu füttern, wird es in die Hauptmahlzeit (das Grundfutter) eingemischt und füttert der Landwirt ansonsten nichts zu, spricht man von einer Totalen-Misch-Ration (TMR). Das ist dann quasi wie ein Rund-Um-Sorglos-Paket (vier-Gänge-Menü in einem), bei dem jeder Bissen gleich ist.
Wie viel eine Kuh frisst hängt auch davon ab, wie viel Milch sie gibt. Dabei fressen extensivere (geringere Milchleistung) Milchviehrassen 50 kg und milchbetontere Rassen 80 kg Frischmasse pro Tag und bis zu 20 kg Trockenmasse (nach Wasserentzug) (vgl. Veauthier 2021). Ein ausgewachsenes Rind kann pro 100 kg Lebendgewicht bis zu 2 kg Kraftfutter fressen, bei einer 600 kg schweren Kuh sind das bis zu 12 kg pro Tag (absoluter Ausnahmefall!). Unter optimalen Bedingungen werden pro Liter Milch, den eine Kuh täglich gibt, zwischen 150 und 250 g Kraftfutter verfüttert (bei 25 Litern etwa 5 kg pro Tag)
Wichtig ist, dass mindestens 18 % des Futters pro Portion strukturiert (also Raufutter) ist. Zur Erinnerung: Kraftfutter ist ein faserarmes Futtermittel. Die Kuh braucht einen Mindestgehalt an Rohfaser, um wiederzukauen. Normalerweise kaut die Kuh pro Sekunde etwa einmal wieder. Pro Tag bildet eine Kuh rund 200 Liter Speichel, in denen eine wichtige Puffersubstanz ist (Natriumhydrogencarbonat) enthalten ist. Ein Puffer sorgt dafür, dass ein Zustand gleichbleibt – in diesem Fall hält der Speichel den pH-Wert im Pansen stabil über einem pH-Wert von 6. Damit eine Kuh wiederkäut und beim Kauen Speichel fließen kann, ist es wichtig, dass sie immer auch Struktur zu Fressen bekommt, andernfalls würde der Wiederkaureflex nicht ausgelöst werden und der Pansen-pH-Wert fallen. Was das für Auswirkungen haben kann, erfährst du im nächsten Beitrag.
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Literatur:
Kirchgeßner (2014): Tierernährung, Leitfaden für Studium, Beratung und Praxis, 14. aktualisierte Auflage von Stangl, Schwarz, Roth, Südekum und Eder, Frankfurt am Main, Deutschland: DLG-Verlag GmbH