Hast du gewusst, dass es Landwirtschaft auch in der Nordsee gibt? Vor kurzem durfte ich einen Muschelfischer dabei begleiten seine Felder zu beernten.
Du hast richtig gelesen: Felder in der Nordsee. Anders, als Ackerfelder auf dem Festland, sind die Felder in der Nordsee nicht von Knicks (kleinen Wällen), oder Zäunen begrenzt – sondern von sogenannten Pricken. Das sind sowas wie dünne Bäume, die ins Wattenmeer gedrückt wurden. Ein Wattenmeerfeld wird also in allen vier Ecken von je einer Pricke (an der manchmal auch eine Fahne befestigt ist) begrenzt.
Im Unterschied zu Austern werden Miesmuscheln nämlich on-bottom gefarmt. (Zur Erinnerung die Austern lagen auf Tischen und damit off-bottom). Miesmuscheln (Mytilus edulis) und Austern sind übrigens die einzigen Muscheln, die innerhalb der „Drei Seemeilen Zone“ im Nationalpark Wattenmeer fischereiwirtschaftlich genutzt werden dürfen (vgl. §40 LFischG). Über die „Drei Seemeilen Zone“ d.h. im Walschutzgebiet hinaus dürfen ist die Wildmuschelfischerei noch stärker eingeschränkt.
Wie aber funktioniert das nun mit den Miesmuscheln?
Am Anfang der Miesmuschelproduktion steht die Laichgewinnung. Um die Jungmuscheln zu gewinnen, hängen kurz vor dem Hafen Netze, an denen sich der Laich der Muscheln anhaftet. Die Eierproduktion einer weibliche Miesmuschel liegt zwischen 5 und 12 Millionen Eiern. Nach drei Wochen, in denen die Muschellarven freischwimmen, haften sie sich beispielsweise an Pfählen, Seilen, Steinen, oder eben an den Netz-Schwimmkörpern des Muschelfischers fest. Diese Netze werden „System“ genannt und bestehen jeweils aus einem Schwimmkörper und einem Netz. Von diesen Systemen hat der Miesmuschelfischer insgesamt rund 500 Stück an unterschiedlichen Orten.
Wichtig!: Während der Laichzeit werden die Muscheln übrigens geschont – das heißt, dass vom 15. April bis 30. Juni keine Muscheln gefischt und verkauft werden. Die Netze zur Laichgewinnung hängen übrigens das ganze Jahr im Wattenmeer, bis auf den Winter. Dann kommen die Netze in den Hafen, wo sie gesäubert werden und geschützt vor Eis sind.
Die Muschelsaat wird dann das erste Mal ab Ende Juli bis August geerntet. In der Regel werden die Netze zweimal maschinell abgesammelt / abgebürstet, das erste Mal dient der Ausdünnung, damit die Muschelsaat, die beim zweiten Mal (September / Oktober) geerntet wird, genug Platz hat, um zu gedeihen. Die Ernte der Muschelsaat hat der Muschelfischer mit dem Prinzip einer Autowaschanlage verglichen: Die Muscheln werden mit Hilfe einer Bürste von den Netzen abgebürstet und an Bord eines speziellen Schiffes gepumpt.
Geht dieses Prinzip der Muschelsaatgewinnung nicht auf, dann muss der Muschelfischer Muschelsaat ausfindig machen, die frei im Wattenmeer gefallen ist. Hierfür muss er die Laichorte ausfindig machen, das könnten Einstromgebiete sein, oder Orte, an denen bereits Miesmuscheln gefischt wurden, hier kann der Austausch mit Fischern (bspw. Krabbenfischern) hilfreich sein, dem Muschelsaat aufgefallen ist. Diese Variante wäre die schwierigere, denn das Gebiet, in dem der Muschelfischer fischen darf, wird immer eingeschränkter. Im Optimalfall erntet der Muschelfischer bei der ersten Ernte zwischen 5 und 6 Tonnen und bei der zweiten Ernte 8 und 10 Tonnen.
Der Weg der Muschel
Vom Netz aufs Feld
Die geerntete Muschelsaat wird mit dem Boot, mit dem sie abgepumpt wurde, auf die Felder ausgebracht. Für das Ausbringen der Saat braucht es eine stille Tide, damit die Saat nicht weggespült wird, sondern sich auf dem Grund anhaftet. So ein Wattenmeer-Feld ist ungefähr zwischen fünf und sechs Hektar groß. Übrigens gibt es auch im Wattenmeer ertragreichere Felder und weniger ertragreichere – ungefähr so wie auf dem Festland, wo die Bodenfruchtbarkeit bonitiert wird. Im Wattenmeer bringen zum Beispiel sandigere Böden einen geringeren Muschelertrag.
Vom Feld aufs Schiff
Geerntet werden die verkaufsfertigen Muscheln dann zwei Jahre später. Für die finale Ernte fährt der Muschelfischer in den frühen Morgenstunden auf Bestellung auf die Nordsee raus. Je nachdem wie groß die Bestellung ist, wird das Boot voll geerntet (zwei LKW-Ladungen ca. 40 Tonnen), oder halbvoll geerntet (eine LKW-Ladung ca. 20 Tonnen).
Wie die Ernte genau abläuft, siehst du hier:
die Besatzung ist zu 4. an Bord
Wassertiefe 5 Meter (Pricken = Begrenzung der Felder)
Seesterne klammern sich auf der Miesmuschel fest, bis sie sich öffnet und dann saugen sie die Miesmuschel aus
Schwierigkeiten mit Seesternen; Vögel wie Eiderenten; Stürme und viel Wasserstrom auch semi-gut; dann liegen die Muscheln zu dick (untere sterben), oder sie strömen weg
Byssosfäden – damit kleben sie aneinander
Dretschken = Netze 2 m breit (unten Kette, damit nicht anfällig und aufribbelt hinten Harken!)
Vom Schiff auf den LKW
dann 10 h bis nach Holland
in Holland kommen sie ins Wasser und werden entsandet (Muschel filtert sich sauber gleiches Prinzip wie bei der Auster); werden dort verarbeitet und nach Größe sortiert! dann gleich vermarktet
Vom LKW (gewogen in Holland) wird eine Probe gezogen: Schlick, Fleischgehalt, Größe, Sand, Steine (danach bezahlt!)
Eine LKW-Ladung Muscheln = 20-25 t (das Schiff kann 2 LKWs auf einmal mitnehmen)
Wie viel wiegt eine Muschel?
pro Big pack 1 Tonne
Ins Netz gehen ca. 500 kg
löschen (heißt so viel, wie entladen!!)
LKW-Temperaturen ein paar Grad unterhalb der Wassertemperatur, damit kein Temperaturschock
von Holland werden die Muscheln an Supermärkte, Großmärlte, Restaurants verkauft
Wie wird der Muschelfischer kontrolliert?
Wer Muscheln fischen darf ist übrigens streng geregelt. Die öffentlich-rechtliche Erlaubnis zur Muschelfischerei bekommt der Muschelfischereibetrieb vom Land Schleswig-Holstein erteilt. Um berechtigt zu sein, Muscheln zu fischen, muss der Firmensitz in den Kreisen Nordfriesland oder Dithmarschen liegen, die Fahrzeuge, die in direktem Kontakt zum Muschelfang stehen, müssen außerdem unter deutscher Flagge fahren. Der Muschelfischer muss außerdem Logbuch führen, das er direkt an das Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) schickt. Parallel erfasst die Blackbox des Schiffes permanent die gefahrenen Routen und die Aktivitäten des Schiffes (fischen, entladen, ansaugen usw.).
Die Unbedenklichkeit der Muscheln wird durch das Veterinäramt überwacht, das einmal die Woche Proben zieht und die Muscheln auf Bakterien, wie E. coli und Salmonellen (Erreger für Darmerkrankungen) und Rückstände, wie Schwermetalle und Toxine untersucht.
Der Muschelfischereibetrieb ist außerdem mit dem MSC-zertifiziert (Marine Stewardship Council), dem Mindeststandard für nachhaltige Fischwirtschaft. Zukünftig wird der Betrieb auch das Bio-Siegel tragen dürfen, denn die naturbelassenen Miesmuscheln werden weder gedüngt, zugefüttert, noch anderweitig behandelt. Durch die Bio-Kontrollstelle wird der Betrieb dann in der Zukunft auch einmal pro Jahr kontrolliert werden.
Wie viel verdient ein Muschelfischer?
Die vierköpfige Crew des Muschelfischers wird am Fang beteiligt. Das heißt verdient wird nur, an dem was gefangen und verkauft wurde und nicht nach Stunden. Der Verdienst pro kg Miesmuscheln schwankt in der Regel zwischen 2,50 und 3,00 Euro. Wie hoch der Verdienst pro kg jedoch ist, hängt von der Qualität der gezogenen Unterprobe ab. Je höher die Qualität der Muscheln, umso mehr Geld bekommt der Fischer. Sind die Muscheln aber stark verunreinigt, dann fällt die Entlohnung geringer aus.
Hast du noch Fragen, Anmerkungen, Feedback? Schreib mir gerne in den Kommentaren, oder direkt!
https://www.fischinfo.de/images/Lexikon/MUSCHELN.pdf
https://lsfv-sh.de/wp-content/uploads/2019/01/Muschelprogramm_2011.pdf
Oktober 7, 2021