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Melken – wie funktioniert das eigentlich?

Erst einmal muss vorab klargestellt werden, dass auch Melken gewissermaßen eine Wissenschaft für sich ist und der Melkprozess von Betrieb zu Betrieb variieren kann. Das liegt unter anderem daran, dass verschiedene Betriebe unterschiedliche Melksysteme nutzen. Für die verschiedenen Melkstände wird es aus Gründen der Übersichtlichkeit einen separaten Beitrag geben. Fürs Erste schauen wir uns also erst einmal das Grundprinzip des Melkens an, denn das ist im Großen und Ganzen immer gleich.

 

Wie kommt die Milch ins Euter?

 

Die Milch der Kuh wird im Euter gebildet – genauer gesagt in den „Milchdrüsen“, den sogenannten Alveolen (Drüsenbläschen). An der Innenseite der Alveolen befinden sich Milchbildungszellen (Epithelzellen stimuliert durch das Hormon Prolaktin) und an der Außenseite fein verästelte Blutgefäße. Das Euter ist im eigentlichen Sinne ein Drüsenkörper, der beim Rind aus vier voneinander unabhängige Eutervierteln besteht (je zwei Vorderviertel und zwei Hinterviertel).

 

 

Normal veranlagte Kühe haben also vier Euterviertel mit jeweils einer Zitze. Die Milch, die in den Alveolen gebildet wird, gelangt über Milchgänge in die sogenannte Euterzisterne eines jeden Viertels (auch hier gibt es keine Verbindung zwischen den Vierteln). In den Milchgängen und der Euterzisterne wird die Milch gewissermaßen zwischengespeichert, bevor sie durch einen taktilen Reiz (Berührung und Stimulation der Zitze) freigegeben wird. Der Milchfluss kann durch die Melkanlage simuliert werden, oder durch den Saugreiz (Nuckeln) eines Kalbes. Manchmal braucht es für das Einschießen der Milch aber nicht mal eine Berührung, sondern es reicht ein anderer Reiz (z.B. kann die Kuh den Melkstand visuell schon mit dem Melken verknüpfen und die Milch fängt an zu strömen).

 

diese Kuh hat 6 Zitzen (Striche), davon sind 4 intakt und die oberen sind nicht funktionsfähig, diese Kühe werden normalerweise nicht mehr für die Zucht verwendet

Übrigens kann eine Kuh durchaus auch mehr als vier Zitzen haben, dann spricht man von „überzähligen“ Zitzen, die oft blind enden und meistens keine Funktion haben. Allgemein sind diese Zitzen aber unerwünscht, weil sie für eine Störung in der Melkbarkeit sorgen oder den Eintritt von Krankheitserregern begünstigen können. Daher werden Kühe, die diese Veranlagung zeigen, in der Regel nicht mehr für die Zucht eingesetzt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wie kommt die gesammelte Milch aus dem Euter?

Zu allererst ein Funfact: Wusstest du, dass es in der Zitze der Kuh nur einen Strichkanal und damit nur einen Weg für die Milch aus dem Euter gibt? Beim Schwein aber sogar zwei bis drei? Nein? Dann überrascht es dich bestimmt, dass in einer menschlichen Brustwarze bis zu 20 Zitzenkanäle münden können.

 

Okay, genug davon. Die Milch wird also in den Alveolen (Drüsenbläschen) gebildet und auch dort by the way mit Fett und Eiweiß angereichert, dann über die Milchgänge (mehrere) in der Euterzisterne (eine) gesammelt und gelangt dann über den Strichkanal (in der Zitze) ins Melkgeschirr, oder ins Maul des Kalbs.

Das klingt nun karoeinfach – dafür gibt es aber einen Trick, der Katalysator der Milchfreisetzung ist das Hormon Oxytocin. Dieses sorgt für eine Kontraktion der Alveolen und damit für einen Milchfluss.

 

Warum Stress im Melkstand Probleme machen kann

Und nun kommt der kasus knacktus: Verspürt die Kuh während des Melkens Stress, dann wird Adrenalin und Noradrenalin freigesetzt und wirken dem für die Milchabgabe wichtigen Hormon Oxytocin entgegen.

Daher wird in einigen Betrieben unter anderem streng darauf geachtet, dass es keine große Rotation im Melkstandpersonal gibt. Ungewohnte Situationen, wie eine fremde Person im Melkstand (die vielleicht sogar noch auf die Idee kommt mit einer Kamera herumzufuchteln usw.) können genauso gut Stress auslösend sein, wie laute Musik oder wildes Treiben der Tiere.

 

Es ist also im Interesse der tierhaltenden Person, dass die Tiere möglichst stressarm gemolken werden, damit die Tiere keine Milch „verhalten“, die nicht nur einen Mindererlös, sondern auch ein gesundheitliches Risiko für die Tiere darstellen können. Ein Indiz für verstärkten Stress können zum Beispiel vermehrtes Koten und Harnen im Melkstand sein.

 

Melken Schritt für Schritt

Vorab hat die Hygiene beim Melken einen besonderen Stellenwert, da es hier um die direkte Erzeugung eines Lebensmittels geht. Auf einigen Betrieben wird daher auch das separate Melken von eutergesunden und euterkranken Tieren praktiziert, um die Ausbreitung von Erregern während des Melkens von Kuh zu Kuh zu verringern.

 

Ziel des Melkens ist es die Kuh möglichst schonend kurz und vollständig zu melken.

 

  1. Vormelken

Beim sogenannten Vormelken werden zwei bis drei Strahlen aus jeder Zitze per Hand gemolken. Diese Milch wird für ein besonderes Maß an Hygiene oft in einen sogenannten Vormelkbecher gemolken. Vorrangig dient das Vormelken dazu optische Veränderungen der Milch zu erkennen. Anhand des Vorgemelks wird beurteilt, ob die Milch geliefert (bzw. in den Tank gemolken) werden kann; oder ob sie verworfen (bzw. in die Kanne gemolken) werden sollte. Vor diesem Hintergrund ist das Vormelken gesetzlich in der EU-Verordnung zur Milchproduktion verankert und damit vorgeschrieben.

Übrigens ist die erste Milch im Strichkanal, die durch das Vormelken entleert wird, natürlicherweise mit mehr Keimen angereichert

 

 

  1. Euter reinigen

Außerdem ist im Gesetz festgeschrieben, dass das Melkgeschirr nur an ein sauberes Euter angesetzt werden darf. Somit wird im gesamten Betrieb versucht das Euter durch eine entsprechende Stallhygiene (Ausmistrhythmus usw.) so sauber wie möglich zu halten; um die Euter im Melkstand nicht grundreinigen zu müssen. Vor allem die Zitzen und damit die Zitzenspitzen müssen sauber sein. Gereinigt werden die Euter mit trockenen bzw. leicht angefeuchteten Einwegtüchern. Werden wiederverwendbare Euterlappen genutzt, dann ist wichtig, dass ein und derselbe Lappen nicht für verschiedene Tiere benutzt wird, um keine Keime von einer Kuh auf die nächste zu übertragen. Da Wasser ein prima Transportmedium für Bakterien und Keime ist, sollten die Euter nicht zu nass gereinigt werden.

 

 

  1. Anrüsten

Bevor das Melkgeschirr angesetzt wird, muss sichergestellt sein, dass sich Milch im Euter bzw. im Strichkanal befindet. Daher sollten etwa zwischen einer und zwei Minuten vom Vormelken (Erststimulation) bis zum Ansetzen des Melkgeschirrs vergehen. So ist gewährleistet, dass die Ausschüttung von Oxytocin den Milchfluss optimal unterstützt. Denn die dauert nur zwischen vier und acht Minuten an.

 

  1. Ansetzen

Beim Ansetzen sollte darauf geachtet werden, dass das Melkgeschirr keinen Dreck (durch Bodenberührung), oder Luft ansaugt (Störung des Vakuums). Um den Melkprozess optimal zu unterstützen, wird das Melkgeschirr zuerst an der Zitze angesetzt, die am weitesten von der melkenden Person entfernt ist. Angesetzt werden die Striche in U-Form mit ein und derselben Hand. Dann muss sichergestellt werden, dass das Melkgeschirr ausgeglichen am Euter hängt (dafür wird i.d.R. der Milchschlauch noch einmal leicht angezogen).

 

 

 

 

  1. Melken

Die Kuh wird nun im Schnitt 5 bis 8 Minuten gemolken. Sofern die Melkmaschine über eine Abnahmeautomatik verfügt, sinkt das Risiko eine Kuh blind zu melken (kaum, bis kein Milchfluss). Denn bei diesen Melkständen wird das Melkgeschirr (und damit alle 4 Melkbecher) automatisch abgenommen, sobald der Milchfluss unter einen bestimmten Grenzwert, der zwischen 200 und 300 ml pro Minute liegt, sinkt.

Hat der Melkstand keine Abnahmeautomatik, dann gilt besonderes Fingerspitzengefühl und Augenmerk auf den Milchfluss im Sammelstück: Das Melkgeschirr darf weder zu früh, noch zu spät abgenommen werden. Wird es zu früh abgenommen (Milchfluss noch vorhanden), dann kann erneut Oxytocin ausgeschüttet werden und die Kuh wird unter Umständen nur noch vollständig ausgemolken, wenn sie im Melkprozess erneut stimuliert wird (sie gewöhnt sich an die zweite Oxytocin-Ausschüttung). Wird das Melkgeschirr zu spät abgenommen, d.h. wenn kein, oder wenig Milchfluss vorhanden ist, dann spricht man vom sogenannten „Blindmelken“. Hierbei wird das Euter stark strapaziert und je nach Intensität geschädigt. Vor allem die Schleimhaut im Strichkanal und der Schließmuskel am Strichkanal werden strapaziert und dadurch ggf. sogar eine Infektion mit Mastitiserregern (Euterentzündung) begünstigt.

 

  1. Nachbehandlung

Ob ein Euter leergemolken ist, lässt sich mit dem sogenannten „Zisternengriff“ überprüfen. Nach dem Melken können die Zitzen mit dem sogenannten „Dippen“, oder Sprayen zusätzlich vor bestimmten Erregern geschützt werden, die von Kuh zu Kuh u.a. durch das Melkgeschirr übertragen werden könnten.

Die aufgetragenen Desinfektionsmittel sind jod-, chlor-, oder peressigsäurehaltig und enthalten zusätzlich euterpflegende Substanzen. 

Nach dem Melken verlässt die Kuh den Melkstand o.Ä. und kehrt in den Stall, oder auf die Weide zurück. Einige Landwirte füttern ihre Kühe direkt nach dem Melken, damit sie sich möglichst nicht direkt hinlegen und ihrem Euter Schmutz aussetzen. Denn kurz nach dem Melken (etwa eine halbe Stunde) ist der Strichkanal noch geöffnet und das Eindringen von Keimen erheblich erleichtert. Nach einer halben Stunde bildet sich der natürliche Keratinpropfen (Protein, aus dem auch unsere Haare und Fingernägel sind) im Strichkanal wieder aus und verschließt ihn (natürliche Schutzbarriere).

 

Wird eine Kuh nicht gemolken, oder nicht besaugt, obwohl sie voll in Milch steht (also während die Milchproduktion voll aktiv ist), dann stellt sie die Milchbildung ein (natürlicher Mechanismus) und die Milchdrüsen bilden sich zurück. Wird das Euter nicht leer gemolken/gesaugt, dann kann das aber nicht nur  einen negativen Effekt auf die Milchmenge haben, weil die Restmilch dem Körper quasi signalisiert, dass weniger Milch gebraucht wird, nein die Restmilch im Euter kann auch hier ein Nährboden für Keime sein, die sich unter Umständen schneller ausbreiten.

Im nächsten Beitrag wird es eine Übersicht über verschiedene Melksysteme von der Vergangenheit, bis zur Gegenwart geben.

Hast du noch Fragen, Anmerkungen oder Gedanken? Dann schreib mich jederzeit gerne an!

Literatur:

Gäbel, Gotthold / Loeffler, Klaus (2018): Anatomie und Physiologie der Haustiere, 15. Auflage, Stuttgart, Deutschland: utb. Verlag Eugen Ulmer.

Jungbluth, Thomas / Büscher, Wolfgang / Krause, Monika (2017): Technik Tierhaltung, 2. Auflage, Stuttgart, Deutschland: utb. Verlag Eugen Ulmer.

landwirtschaftliches Zentrum Baden-Württemberg (o.J.): Das kleine 1 x 1 des Melkens [online]  https://www.landwirtschaft-bw.info/site/pbs-bw/get/documents/MLR.LEL/PB5Documents/lazbw_rh/pdf/m/Merkblatt_Melken_neu.pdf?attachment=true [abgerufen am 05.11.2020].

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