Wie in vorherigen Beiträgen schon angeteasert, gibt es auch beim Melken mehr als einen Weg – wie sollte es sonst auch anders sein? Bisher haben wir uns für den Einstieg das allgemeine Melkprinzip angeschaut (hier nachlesbar) und auch bereits das nahezu menschen-autark-funktionierende System des Melkroboters (das ganze kannst du hier nachlesen).
Von der Hand zum Melkroboter
- Handmelken: Ganz früher wurden die Kühe per Hand gemolken. Hierfür setzte sich die melkende Person neben das Tier auf einen Melkschemel (kleiner hölzerner Hocker; in einbeiniger, dreibeiniger oder vierbeiniger Ausführung). Seinerzeit war diese Melkform praktikabel, da der überwiegende Teil der Milchkühe in Anbindehaltung gehalten wurde. (von der Hand in den Eimer)
- Eimermelkanlage: Das Handmelken wurde von der Eimermelkanlage abgelöst. Diese Melkanlage ist die erste mechanisierte Form des Melkens gewesen, hier hat es das erste Mal das Melkgeschirr gegeben. Anders, als bei modernen Melkanlagen wird die Milch bei der Eimermelkanlage immer noch in einen Eimer gemolken (vom Melkgeschirr in den Eimer, oder die Transportkanne). Auch heute wird dieses System in mobiler Bauweise hin und wieder gebraucht, zum Beispiel um eine einzelne Kuh in der Abkalbebox oder Krankenbox zu melken (Melkanlage kommt zur Kuh und Kuh muss nicht zur Melkanlage kommen). Ein großer Nachteil dieser Melkanlage ist, dass die Eimer per Hand in den Lagerbehälter verbracht werden müssen und diese je nach Milchleistung der Kuh zwischen 25 und 35 kg wiegen können.
- Rohrmelkanlage: Im nächsten Entwicklungsschritt hat sich aus der Eimermelkanlage, bei der immer noch die Eimer oder Transportkannen geschleppt werden mussten, die Rohrmelkanlage entwickelt. Die große Weiterentwicklung hier war, dass die Milch statt in den Eimer, direkt via Rohr aktiv durch eine Milchpumpe in den Lagerbehälter (Tank) gepumpt wird. Die direkte Anbindung der Melkgeschirre an den Tank hatte vor allem einen Vorteil in Punkto Arbeitserleichterung (kein Schleppen der Eimer mehr). Ein Nachteil dieser Melkanlage ist, dass es einen höheren Unterdruck am Euter braucht, um die Höhendifferenz zwischen dem Melkgeschirr (unterhalb des Euters) zur hochgelegten Milchleitung (oberhalb der Kuh) zu überwinden.
- Melkstand: Mit der Entwicklung der Laufstallhaltung, bei der die Kühe sich, anders, als bei der Anbindehaltung, frei im Laufbereich hin und her bewegen, entstanden die Melkstände. Im Unterschied zur Melkanlage, die mehr oder weniger fix an den Standplatz der Kuh installiert ist; sind Melkstände räumlich vom Liegebereich der Kuh getrennt. Teilweise geht die Trennung sogar soweit, dass der Melkstand in einem anderen Stallabteil untergebracht ist. Für die Melkzeiten werden die Kühe zum Melkstand getrieben. Auch im Melkstand ist eine Rohrmelkanlage verbaut, die sich prinzipiell technisch nicht von der Rohrmelkanlage in einem Anbindestall unterscheidet. Einzig der Umstand, dass dieses System fürs Melken einen Ortswechsel der Kühe vorsieht und die Position des Melkpersonals zur Kuh sind unterschiedlich. Denn bei einem Melkstand steht der Mensch in der sogenannten Melkgrube (Gang zwischen den Kuhreihen, der tiefer liegt), sodass das Euter der Kuh auf Augenhöhe ist – bei Melkständen, in denen unterschiedlich großes Personal melkt, bietet sich teilweise ein höhenverstellbarer Melkgrubenboden an. Durch diesen Höhenunterschied kann der Melker / die Melkerin die Kuh in aufrechter Körperhaltung melken (Rückengesundheit) und die Melkleitung liegt unter den Melkgeschirren, sodass die Milch durch das natürliche Gefälle abfließen kann. Dadurch, dass mehrere Kühe nebeneinander stehen, sind die Wege für den Melker / die Melkerin wesentlich kürzer, als vorher, was dazu führt, dass mehr Kühe in kürzerer Zeit gemolken werden können (da mehr Kühe zur gleichen Zeit).
- es gibt Einzel- und Gruppenmelkstände
- Einzelmelkstand: die Kuh betritt den Melkstand alleine und verlässt ihn auch alleine; in diesem Melkstand sind die Kühe unabhängig voneinander, d.h. eine langmelkende Kuh blockiert den Melkfluss nicht in dem Maße, weil die übrigen Kühe trotzdem ein- und austreten können (diese Form gibt es zum Beispiel in Form eines Durchtreibemelkstand, auch Weidemelkstand genannt; oder des sogenannten Tandemmelkstands, hier stehen die Kühe gerade in einer Reihe hintereinander und können den Melkstand durch eine separate Tür betreten / verlassen)

- Gruppenmelkstände: anders, als beim Einzelmelkstand betreten die Kühe diesen Melkstand als Gruppe und verlassen ihn auch als Gruppe. Diese Melkstände unterscheiden sich grundlegend in, wie die Kühe einer Melkgruppe während des Melkvorgangs zueinander stehen:
- Reihenmelkstand: die Kühe stehen in Reihe hintereinander (Kopf der Hinterkuh an Hintern der Vorderkuh), da diese Melkstandsform einen großen Platzbedarf hat (jeweils eine Kuhlänge für eine melkende Kuh) und die Wege für den Melker / die Melkerin dadurch sehr lang sind, ist dieser Melkstand heute faktisch nicht mehr im Einsatz.
- Fischgrätenmelkstand (FGM): bei diesem Melkstand stehen die Kühe schräg zueinander (von oben betrachtet, wie ein Fischgrätenmuster), diesen Melkstand gibt es in unterschiedlichen Winkeln: normalerweise stehen die Kühe im 30 Grad Winkel zueinander, in der steilen Fischgräte stehen sie im 50 Grad Winkel zueinander.

- Side-by-Side-Melkstand (SbS): die Kühe stehen im 90 Grad Winkel zur Melkgrube und somit nebeneinander (Side by Side), diesen Melkstand wird in der Regel mit einem Frontaustrieb kombiniert (Kühe müssen aus Melkposition nur nach vorne gehen, um den Melkstand zu verlassen. Bei diesem Melkstand sind die Wege besonders kurz, d.h. es passen mehr Kühe nebeneinander, als bei einem gleichlangen Reihenmelkstand (und Fischgrätenmelkstand).
- Karussell: bei diesem Melkstand fahren die Kühe wortwörtlich Karussell während des Melkdurchgangs. Ziel ist die Drehgeschwindigkeit an die Melkdauer der Kühe anzupassen, sodass die Kuh nach einer Umdrehung fertig

80er Melkkarussell in Neuseeland (Außenmelker)
gemolken das Karussell verlässt. Bei diesem Melkstand ist es tatsächlich so, dass die Kühe einzeln ein- und austreten. Auch im Bereich Melkkarusselle gibt es Fischgräten und Side-by-Side Versionen. Mittlerweile gibt es Melkkarusselle in Größenordnungen von bis zu 100 Kuhplätzen (vgl. Neuseeland), hierzulande gilt ein Melkkarussell mit 40 Plätzen schon als groß. Melkkarusselle werden in Innen- und Außenmelker unterschieden; beim Innenmelker steht die melkende Person im Innenkreis des Karussells (Kühe schauen nach außen), bei einem Außenmelker außen (Kühe schauen in den Innenkreis des Karussells

Vorwartehof des Melkkarussells mit Nachtreibehilfe (Neuseeland)

Außenmelker in Neuseeland 80er Melkkarussell

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- automatisches Melken
- Roboter: ist gewissermaßen eine Sonderform des Einzelmelkstands, nur dass dieser Melkstand (ausgenommen Wartungsarbeiten) ohne menschlichen Eingriff, funktioniert, da er vollständig automatisiert ist. Die Melkbox steht der Kuh 24 h am Tag zur Verfügung und nicht nur zu festgelegten Melkzeiten (genaueres findest du hier).
- Melkkarussell: auch das Melkkarussell gibt es mittlerweile in automatisierter Form.
Literatur:
Jungbluth, Thomas / Büscher, Wolfgang / Krause, Monika (2017): Technik Tierhaltung, 2. Auflage, Stuttgart, Deutschland: utb. Verlag Eugen Ulmer.