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Mit dem Trecker ins Watt zum Austernfischen

Hast du schon mal Muscheln gegessen? Vielleicht hattest du ja schon selber mal eine Auster auf dem Teller und hast dich gefragt, wo die eigentlich herkommt. In diesem Beitrag nehme ich dich mit zum Austernfischer, gemeinsam fahren wir ins Wattenmeer und “ernten” Austern.

Dieser Beitrag ist besonders, denn normalerweise steht dieses Blogformat dafür, dass die Interviewpartner anonym bleiben. Nur ist es dieses Mal so, dass es nur einen Austernfischer gibt in ganz Deutschland. Da ich euch den Einblick in dieses besondere Thema trotzdem nicht vorenthalten wollte und auch der Austernfischer gleich mit Elan dabei war, gibt es nun diesen besonderen Beitrag.

In der Austernzucht gibt es vereinfacht drei Produktionsstadien:
Hatchery (Gewinnung der Larven, quasi der Austernlarven-Kindergarten)
Nursery (Vorziehen der Mini-Austern bis zum Outgrowing)
Outgrowing (Aufzucht und Mast) 

Aktuell kommt der Austernfischer auf drei verschiedenen Wegen an seine Austern: 

Weg 1: Der Austernfischer produziert aktuell einen Großteil seiner Austern nach dem “Irlandprinzip”. Hierfür importiert er Anfang März zwischen 40 und 60 Tonnen Austernsetzlinge aus Irland (aus der Nursery). Diese wiegen dann etwa 40 g. In Polyethylen-Netzsäcken, sogenannten Poches, werden bis zu 200 Austern pro Sack ins Wattenmeer gebracht (Outgrowing).

Dort pachtet der Austernfischer ein 30 Hektar großes Aufzuchtgebiet unweit vor einer Nordseeinsel. In diesem Aufzuchtgebiet stellt er zur Produktionssaison (Frühjahr bis Herbst) Eisentische (siehe Foto und unten). Während der Aufzucht verdoppelt die Auster ihr Gewicht auf durchschnittlich bis zu 60-80 g, sie ist dann etwa 7-10 Zentimeter groß. Im Winter (bevor es friert und sich Eis bildet) werden die Austern und Tische dann reingeholt. Schlachtreif sind die Austern nach 2-3 Jahren.

Dieses Produktionsprinzip ist zukünftig verboten, da befürchtet wird, dass sich durch den Import von Austern aus dem Ausland fremde Arten (Neozoen) schneller ausbreiten könnten. 

 

Weg 2: Da “Weg 1” ein Auslaufmodell ist, muss der Austernfischer umdisponieren und die Nursery, also die Kinderstube, der Austern selbst abdecken. Hierfür kauft er die Austern nun als stecknadelkopfgroße Setzlinge ein. Diese wiegen dann statt 40 g nur 0,015 g. In dieser “geschlossenen Nachzucht” soll die Gefahr Neozoen einzuschleppen verringert werden.

Für den Austernfischer bedeutet diese frühe Aufzucht einen höheren Aufwand, der sich darin äußert, dass er schon jetzt (in der Anfangsphase, in der er noch auf Weg 1 zurückgreifen kann) einen höheren Platzbedarf im Wattenmeer hat. Denn statt 2-3 Jahren brauchen diese Austern 4-5 Jahre, um auf ihr Schlachtgewicht zu kommen. Er vermutet auch, dass seine Verluste, die aktuell bei 10-12 Prozent liegen, künftig auf etwa 50-60 Prozent ansteigen werden. Da diese kleinen Austern noch zu winzig sind, um in den Poches gehalten zu werden, kommen sie in ein sogenanntes “flupsy”, in lang “Floating Upwelling System”. Das ist ein Floß, in dem die Mini-Austern auf Siebböden liegen, die kontinuierlich von Meerwassern durchströmt werden (Pumpe). Danach ziehen die Austern ab einer Größe von 1-2 cm in einen tetraederförmigen Netzsack mit Auftrieb um, der an einem Seil befestigt ist. Auch, wenn sie von alleine auf und ab getrieben werden, müssen die Netzsäcke regelmäßig per Hand bewegt werden, damit sich im Zentrum des Netzsacks kein Klumpen aus Austern bildet – nur so kann effektiv verhindert werden, dass die Austern aneinander wachsen. In diesem Fall tüftelt der Austernfischer zusammen mit Wissenschaftlern an dem optimalen Handling der Setzlinge.

 

Das dritte Standbein des Austernfischers sind die Wildaustern. Wie der Name schon sagt, handelt es sich um eine wildgefangene Auster und damit nicht, um eine kultivierte Auster aus einer Aquakultur. Die größte Wildauster, die der Austernfischer in der Hand hatte wog 1,1 kg. In freier Wildbahn können Austern bis zu 30 Jahre alt werden (die Austern auf dem Foto sind ca. auf 10 Jahre geschätzt). 

Aber die heute weitverbreitete pazifische Felsenauster (Bilder) ist eigentlich auch eine Neozoe. Die früher heimische europäische Auster (rundlich) ist heute nur noch im kleinen Stil in Aquakulturanlagen zu finden, denn sie wurde bereits im Mittelalter gefischt. Bei diesen Fangtechniken wurden nicht nur die “reifen” Austern, sondern auch ihre Nachzucht aus dem Meer entnommen. Seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist die Europäische Auster in Folge der Überfischung in der Nordsee ausgestorben. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) 

Die pazifische Felsenfester, stammt aus dem nordpazifischen Raum um Japan und China. Da in ihrem ursprünglichen Verbreitungsgebiet ähnliche Verhältnisse wie im Wattenmeer herrschen und sich ihre Lebensbedingungen in Folge des Klimawandels und der Erwärmung verbessert haben, gedeiht sie im Wattenmeer so gut, dass sie Austernriffe bildet. Ursprünglich wurden sie im Rahmen von Versuchen 1985 nach Sylt in Drahtkörbe gebracht. Da sich das Wattenmeer durchaus auf 22 °C und damit optimale Laichtemperatur für die Auster, erwärmt, hat sie sich in diesem Zuge angesiedelt seit 1990-1994. Eine Auster alleine kann bis zu 10 Mio. Eier produzieren.

Warum keine Indoor-Austern?

Würde der Austernfischer die Produktion nach innen verlegen, dann müsste er sicherstellen, dass die Austern genügend Nahrung (v.a. Phytoplankton = pflanzliches Plankton) bekommen, um zu wachsen. Dafür bräuchte er nicht nur eine Menge Salzwasser, sonder müsste zusätzlich auch in großem Stil Algen kultivieren. Denn eine Auster filtert 10 bis 15 Liter Wasser pro Stunde. Ein Becken mit einem Wasservolumen von 30 000 Litern und 40 000 Austern ist so in 3 Minuten komplett durchgefiltert.

Haltungssysteme in der Austernzucht lassen sich in off-botton (semi-intensiv bis intensiv) und on-botton (extensiv bis semi-intensiv) unterscheiden. Die Austern des deutschen Austernfischers werden in einem off-bottom-System, der sogenannten Tischkultur gehalten, wie sie beispielsweise auch in Irland zu finden ist. Allgemein setzt der Austernfischer auf eine extensive Produktionsweise. Anders, als beispielsweise französische Kollegen greift er nicht auf genveränderte Austern zurück, sondern setzt ausschließlich die natürliche diploide Form ein. Triploide Formen, wie sie unteranderem in Frankreich zu finden sind, haben einen dreifachen (und nicht wie natürlich einen zweifachen) Chromosomensatz. Dadurch sind ihre Chromosomen nicht mehr durch 2 (2 Elterntiere sind für die Fortpflanzung notwendig) teilbar und diese Sorte kann sich nicht mehr fortpflanzen. Für den Produzenten hat diese Auster den Vorteil, dass sie schneller wächst, als die natürliche, die Energie in die Produktion von Geschlechtsprodukten investieren muss. Ein großer Nachteil dieser Formen für die Umwelt ist, dass diese Muscheln eine gewisse Eigendynamik entwickeln (Entstehen von immer größeren Chromosomensätzen tetraploide (vierfache), heptaploide (siebenfache), die auch in der Natur zu finden sind …).

Der Weg der Auster

Regelmäßige Kontrollbesuche

Übrigens ist das Veterinäramt jede Woche beim Austernfischer zu Besuch, um zu kontrollieren, dass der Betrieb des Austernfischers frei von Belastungen ist. Untersucht wird u.a. auf

Echerichia coli (E. coli), ein Bakterium, das für Durchfallerkrankungen sorgt; 

Salmonellen 

und Schwermetalle.

Die Delikatesse und die schwarze Null

Auch, wenn der Austernfischer in Deutschland eine Monopolstellung hat, so verdient er sich mit dem Austernfischen keine goldene Nase, sondern landet unterm Strich viel mehr bei einer schwarzen Null. Eine durchschnittliche Auster kostet im Direktvertrieb (an den Endkunden) 1,80 Euro. Vor kurzem hat er seinen Preis von 1,40 auf 1,80 Euro angehoben, weil er mit 1,40 Euro nicht kostendeckend gewesen ist. Die Haupteinnahmequelle sei das angeschlossene Lokal, in dem es eine größere Gewinnspanne gäbe, erzählt er mir:

30 % der Austern gehen ins Restaurant

30 % der Austern bleiben auf der Insel

30 % der Austern werden an den Großhandel verkauft

10 % der Austern werden an Privatkunden verkauft

 

Funfact zum Schluss:

Die Auster ein Aphrodisiakum 
Wusstest du, dass Austern ein fester Bestandteil von römischen Festmahlen waren? Während Austern für wohlhabende Römer als Statussymbol galten, hielten Griechen sie für aphrodisierend. Dieser Glaube kann aber auch nur von der Optik einer auf der Seite liegenden Auster abgekupfert sein, in der man mit viel Fantasie eine Vulva sehen könnte.

 


Du hast noch mehr Lust auf Austern-Infos bekommen? Dann kann ich dir folgende Links ans Herz legen:

Europäische Auster

Pazifische Auster

Muscheln


Aquakulturinfo (2019): Auster, Aquakulturinfo, [online] https://www.aquakulturinfo.de/auster[abgerufen am 20.06.2021].

BUND (o.J.): Die Europäische Auster – eine ehemalige Königin der Meere, BUND, [online] https://www.bund.net/themen/tiere-pflanzen/tiere/wirbellose/koenigin-der-meere/ [abgerufen am 20.06.2021].

Schutzstation Wattenmeer (o.J.): Die Pazifische Auster, Schutzstation Wattenmeer, [online] https://www.schutzstation-wattenmeer.de/wissen/tiere/muscheln/pazif-auster/ [abgerufen am 20.06.2021].

 

 

 

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