Diese Kuh (links) wirkt unscheinbar und erinnert an ein schwarzes Angus-Rind (braunes
Angus (rechts). Trotzdem unterscheidet sie sich grundlegend von anderen Fleischrinderrassen. Denn diese Kuh ist ein reinrassiges Wagyu-Rind und ihr Wert liegt im fünfstelligen Bereich. ins
Wagyu-Rinder sind bekannt für ihre unvergleichliche Fleischqualität – ihr Fleisch gilt als das Luxus-Rindfleisch schlechthin.
Ursprünglich kommt diese Rinderrasse aus Japan – dort gibt es wiederum verschiedene Zuchtrichtungen, die sich je nach japanischer Region unterscheiden. Besonders wertvoll ist hier das Kobe-Rind, aus der Region rundum Kobe (japanische Großstadt). Der Hype auf dieses Kobe-Rindfleisch ist vergleichbar mit dem Champagner – dem Schaumwein aus der Champagne. Für Fleisch vom Kobe-Rind (also original aus der japanischen Region Kobe) liegt der Kilopreis gut und gerne zwischen 400 und 600 Euro.
Für diesen Blogbeitrag war ich mit einem deutschen Wagyu-Züchter im Gespräch und durfte ganz nah ran.
Warum gibt es die meisten Wagyus in Japan?
Vielleicht fragst du dich, warum das Wagyu (also das “japanisches Rind”) in Zeiten der Globalisierung immer noch Seltenheitswert hat. Ein Grund, weshalb Wagyus nicht auf jedem Rinderbetrieb vertreten sind, ist unter anderem der, dass Japan die Wagyu-Genetik heute wie eine Schatz hütet. Nur in den Jahren von 1975 bis 1997 hat es einen Export in die USA von insgesamt rund 220 Tieren (Tiere, Embryonen und Sperma) gegeben. Danach wurde der Export von Wagyu-Genetik verboten und auch der Fleisch-Export ist stark eingeschränkt.
Von den japanischen Export-Tieren in Amerika wurden wiederum Nachkommen nach Europa exportiert. In Deutschland gibt es mittlerweile rund 500 000 Kreuzungstiere, sprich Mischlinge aus Wagyu und einer anderen Rasse – die nach japanischem Standard aber nicht als Wagyu zählen.
die Größenordnung bezieht sich allein auf reinrassige Tiere
Ein Grund, weshalb Landwirte ihre Rinder, zum Beispiel Milchkühe der Rasse Holstein Frisian, mit dem Sperma eines Wagyu Bullen besamen lassen, kann sein – die Kreuzungs-Kälber gewinnbringender zu vermarkten, oder die hauseigene Rindermast profitabler zu machen.
Wagyu-Sperma kann wie “Otto-Normal-Sperma” auch in der Regel beim ansässigen Zuchtunternehmen erworben werden, dieses bezieht seinen Zuchtbullen aus einem Wagyu-Zuchtbetrieb, den ich für diesen Beitrag besucht habe.
Was ist ein Wagyu-Zuchtbetrieb?
Ein Zuchtbetrieb ist in erster Linie grob vergleichbar mit jedem anderen rinderhaltenden Betrieb, nur, dass es hier nicht primär um die Erzeugung der “Endprodukte” wie z.B. Fleisch, sondern der Zucht / Erzeugung von “Elterntieren” geht. Sprich der Rinderhalter, der Masttiere hält, paart zwar seine Muttertiere mit Bullen an, oder lässt sie mit einem ausgewählten Sperma besamen – ist aber ansonsten nicht allzu tief in den genetischen Hintergrund involviert.
Auch ein Wagyu-Zuchtbetrieb sorgt dafür, dass hochwertige Elterntiere entstehen. Das ist vor allem bei einer kleinen Population wichtig sprich, wenn die Auswahl der Tiere, die untereinander verpaart werden können (wir erinnern uns an die 220 Ausgangstiere), vergleichsweise begrenzt ist. Bei einer kleinen Population steigt nämlich potentiell die Inzucht und die Gefahr für Gen-Defekte.
Wie behilft sich die Wagyu-Zucht dabei die Population möglichst zu vergrößern?
Um aus wenigen Tieren trotzdem möglichst viele verschiedene Anpaarungen zu generieren, wird in der Wagyu-Zucht auf den sogenannten Embryonentransfer zurückgegriffen. Diese züchterische Methode wird unter anderem auch in der Pferdezucht und bei anderen Rinderrassen eingesetzt – eigentlich immer dann, wenn die Anlagen eines Tieres züchterisch so wertvoll sind, dass das Risiko einer Geburt nicht tragbar ist, aber trotzdem eine Nachzucht generiert werden soll – damit das Erbgut nicht verloren geht. Dieser Fall trifft vor allem in Bezug auf Sportpferde zu, für die das Austragen eines Fohlens ein gesundheitliches Risiko wäre und eine Unterbrechung des Sportbetriebs bedeuten würde. Im Falle der Wagyu-Rinder ist vor allem die Gewinnung mehrerer Embryonen aus einer Kuh interessant, wodurch der Zuchtfortschritt beschleunigt wird (Verbesserung der nächsten Generation, verglichen mit der vorherigen Generation) .
Wie läuft eine Embryonen-Gewinnung ab?
Raum, in dem die Kühe “gespült” werden. Der Stand ist hydraulisch verstellbar, wodurch die Kühe bodennah einsteigen können.
Vor dem Eingriff wird der Kuh Hormon FSH (Follikelstimulierendes Hormon) gespritzt, dass eine vermehrte Freisetzung von Eizellen folgert – die sogenannte Superovulation. Anders, als bei einer normalen Ovulation springen statt einer Eizelle bis zu 20 Eizellen (vgl. Gäbel / Loeffler : 269). Besamt werden diese “Spülkühe” künstlich mit einem ausgewählten Vererber. Sieben Tage nach der Besamung werden die Blastozysten (Embryostadium) von einem speziellen Tierarzt aus der Gebärmutter gespült, bevor sie sich einnisten können. Das Spülen der Kühe dauert nicht länger als 30 Minuten. Hierfür führt der Tierarzt einen dünnen Schlauch in die Gebärmutter der Kuh ein und “spült” die Embryonen mittels einer speziellen Flüssigkeit in einen Glasbehälter. Zur Sicherheit wird die Kuh mit Prostaglandin (Hormon für den Schwangerschaftsabbruch) behandelt, um das Restrisiko für eine Schwangerschaft auszuschließen. Unmittelbar nachdem die Kuh den Stand verlassen hat, werden die Embryonen im Labor nebenan unter die Lupe genommen. Nur stabile Embryonen, die fit sind, werden nach einem bestimmten Einfrierprotokoll in Flüssigstickstoff konserviert. Embryonen können wie Spermaportionen bei -195 °C unbegrenzt lange aufbewahrt werden. Ist ein Embryo schon zu weit in der Entwicklung und würde durch das Einfrieren an Überlebenswahrscheinlichkeit, wird er in eine Kuh überführt, die im gleichen Brunststadium ist, wie die Spender-Kuh. Dann trägt die Empfänger-Kuh den Spender-Embryo aus.
Im Schnitt können auf diesem Weg mehr als 10 lebensfähige Embryonen pro Eingriff aus einer Kuh gewonnen werden. Für das Gelingen dieses Eingriffes braucht es jedoch mehr, als einen Fach-Tierarzt für Embryonentransfer, sondern auch ein hohes Maß an Tierwohl: Ist eine Kuh gestresst, dann gelingt die Embryonengewinnung nicht. Damit eine Kuh anfällig für eine Superovulation ist, braucht es nicht nur das FSH, sondern auch ein hohes Maß an Tierwohl. Um die Kühe so wenig wie möglich durch den Eingriff zu stressen, hält das Wagyu-Zuchtunternehmen, das ich besucht habe, die Spender-Kühe bereits in dem Stall, der an den Behandlungsstand angrenzt. Die Kühe können zwischen Innenbereich (Stall ohne Spalten und auf Stroh) und Außenbereich (weitläufige Weide) wechseln, bekommen von Zeit zu Zeit Massagen für den Rücken und klassische Musik für die Ohren. Zu fressen bekommen die Spender-Kühe Futter mit weniger Energie und mehr Faser (Heu, Stroh, Heulage), damit sie nicht verfetten. Verfettung würde nämlich neben der Tiergesundheit auch die Fruchtbarkeit negativ beeinflussen.
Spätestens nachdem eine Wagyu-Kuh dreimal gespült wurde, wird sie entweder künstlich besamt, oder kommt in die Herde des Zuchtbullen, um im vierten Zyklus ein Kalb auszutragen. Das erste Mal wird eine Kuh hier im Alter von 15 bis 16 Monaten besamt. In aller Regel (sofern der Zuchtbulle nicht eingesetzt wurde) wird gesextes Sperma eingesetzt, um weibliche Nachkommen zu generieren.
Der Großteil der männlichen Nachzucht wird kastriert (geochst) und als Ochse für drei Jahre gemästet. Nur ein kleiner Teil wird als Bulle groß und wird potentieller Vererber.
Wagyu – Kinderstube
Wagyu-Kalb mit Milchschnute vorm Nuckeleimer im Auslauf des Kälber-Iglus.
Aktuell werden die Kälber direkt nach der Geburt von der Mutter getrennt und mit aufgetautem Kolostrum (Erstmilch) versorgt. Vorher wurden sie muttergebunden aufgezogen (also bei der Mutter).
Nach zwei Wochen kommen die Kälber aus ihren Einzel-Iglus in Gruppenbuchten. Dann startet die Transponderfütterung.
Für die Transponderfütterung haben die Kälber ein besonderes Halsband, das dafür sorgt, dass jedes Kalb genügend Milch am Tränkeautomaten bekommt. Hinten in dieser Gruppenbox siehst du den Mikroklimabereich der Kälber – dieser ist wichtig, damit die Kälber vor Zugluft geschützt sind und weniger anfällig sind für Atemwegserkrankungen.
Auch, wenn es so aussieht, als wenn sich hier zwei Kuckuckskinder eingeschlichen haben – sind auf dem Bild doch nur Wagyus zu sehen. Denn neben dem klassischen schwarzen Wagyu gibt es auch noch das braune Wagyu.
Nach vier Monaten werden die Kälber hier abgesetzt – bekommen also nur noch feste Nahrung und keine Milch mehr gefüttert.
Zwischen dem 10. und 12. Lebensmonat wird die energiehaltige Nahrung der Wagyus dann auf energiearm umgestellt, da das Hauptwachstum abgeschlossen ist und die Verfettungsgefahr steigt.
Würde ein Wagyu in der Mast verfetten, weil es zu viel Energie gefüttert bekommen hat, dann würde auch die Fleischqualität sinken – denn die Besonderheit des Wagyu-Fleischs ist das sogenannte intramuskuläre Fett (kurz: IMF), dieses bildet sich, anders, als das subkutane Fett (Fettauflage –> unter der Haut), erst spät aus. Ist das Tier zu diesem Zeitpunkt aber schon subkutan und an den Organen (bspw. Leber, Darmtrakt) verfettet, dann wirkt sich das negativ auf das intramuskuläre Fett aus. Für die Fütterung braucht es Fingerspitzengefühl, denn die Veranlagung der jeweiligen Tiere ist unterschiedlich. Deshalb muss die Fütterung von Wagyus an die Genetik angepasst werden, um optimal zu sein. Außerdem sind Tränke und Trog auf der Weide möglichst weit auseinander, um die Tiere zur Bewegung zu animieren.
IMF hat übrigens jedes Fleisch, aber herkömmliches Rindfleisch hat meist nur einen Gehalt von 3,5 %, während Wagyu-Fleisch gut und gerne 10 % hat. Das sorgt nicht nur dafür, dass das Fleisch eine einmalige Marmorieren hat, sondern auch für eine besondere Zartheit (das Fleisch zergeht auf der Zunge). Der IMF hat übrigens einen starken Effekt auf Zartheit und Geschmack, denn Fett ist Geschmacksträger.
Oben siehst du noch ein paar Wagyu-Damen und links siehst du einen Wagyu-Bullen, der gerade im Quarantäne-Stall aufgestellt ist. Er wird abseits der Herde gehalten, da er gerade von einem Betrieb zurück ist, an den er verliehen wurde. Ein Zuchtbulle wird für mindestens zwei Monate verliehen – dann hat er einen externen Deckeinsatz auf einem anderen Betrieb: Das kann ein anderer Wagyu-Züchter, ein Milchviehbetrieb, oder eine Mutterkuhherde sein.
Der Quarantäne-Stall ist dringend notwendig, um den restlichen Tierbestand zu schützen. Während der separierten Aufstallung von der Herde, werden die Tiere auf mögliche Symptome untersucht. Dieser Bulle hier hat zum Beispiel auffällige Verkrustungen an den Augen, die bevor er wieder zurück in die Herde kommt, durchgecheckt und behandelt werden.
Auf dem Wagyu-Betrieb gibt es noch ein paar kuriose Vertreter: Hier siehst du ein Braunvieh, das vor allem in Süddeutschland anzutreffen ist. Dieses Tier ist zum Beispiel ein Empfänger-Tier und gerade mit einem Wagyu-Kalb tragend.
Hast du noch Fragen oder Feedback? Dann schreib mir gerne 🙂
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Literatur:
Gäbel, Gotthold / Loeffler, Klaus (2018): Anatomie und Physiologie der Haustiere, 15. Auflage, Stuttgart, Deutschland: utb
LfL (2021): Qualität von tierischen Produkten [online] https://www.lfl.bayern.de/zentrale_analytik/137155/index.php [abgerufen am 15.09.2021].
Wagyuverband Deutschland e.V. (2021): Historie [online] https://wagyuverband.com/historie/ [abgerufen am 15.09.2021].
September 30, 2021