Vielleicht hast du dich schon mal gefragt, warum die Mehrheit der Kühe keine Hörner hat? Zwar gibt es mittlerweile auch genetisch hornlose Rinder, denen also in ihrem Leben keine Hörner wachsen werden; diese Zucht ist aber nicht der Praxisstandard. Stattdessen werden die Kälber in den ersten sechs Lebenswochen enthornt (TierSchG §5 Absatz 3 Nr. 2).
Was sind eigentlich Hörner?
Hörner sind keine Geweihe. Anders, als das Geweih von einem Hirschen oder das Gehörn von einem Rehbock, das jährlich abstirbt und abgeworfen wird, wächst ein Horn ein lebenlang. Geweihe und Gehörne (Vorsicht Verwechslungsgefahr mit dem Horn) sind tote Knochen, die von einer Haut überzogen sind. Bevor sie abgeworfen werden, schnürt sich das Geweih / Gehörn am unteren Teil, dem sogenannten Rosenstock, ab und wird neu gebildet.
Hornträger (Bovidae) wie die Rinder, haben einen durchblutete Struktur, denn der Knochenzapfen wird dauerhaft mit Blut versorgt und ist fest mit der Stirn verbunden. Dadurch wächst ein Horn ein Leben lang und wird nicht abgeworfen.
Wofür sind Hörner gut?
Wofür braucht eine Kuh überhaupt Hörner? Mit dieser Frage hat sich das Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) in einer Studie beschäftigt: Aus Studien und Erfahrungsberichten ließ sich unter anderem ableiten, dass die Form eines Horns mit der Körperform zusammenhängt. Gedrungene Tiere, wie Galloways (hornlos) tendieren zu keinen, oder kürzeren Hörnern, während filigranere Tiere meist längere Hörner tragen. Form und Orientierung der Hornspitzen (oben, oder unten) wurde nachgesagt einen Einfluss auf die soziale Interaktion und den Gemütszustand der Tiere zu haben.
Und nicht-enthornte Kühe schienen eine höhere Milchleistung zu haben, als enthornte. Darüber hinaus wird auch ein Zusammenhang zwischen dem Geruch der Hörner und der Verdauung vermutet, der aber noch nicht eingehend erforscht ist.
Warum werden Rinder überhaupt enthornt?
Hörner bergen ein Verletzungsrisiko für den Landwirten und auch für die Tiere untereinander. Denn die „Waffen“ einer Kuh sind ihre Hörner. Generell gilt aus Sicht des Arbeitsschutzes übrigens die Devise „ganz oder gar nicht“. Sprich alle Kühe auf einem Betrieb müssen entweder ohne Hörner, oder aber mit Hörnern ausgestattet sein. Denn wenige Kühe mit Hörnern in einer Gruppe aus enthornten Tieren, hätten einen klaren Vorteil beziehungsweise würden ein Verletzungsrisiko für Kühe und Landwirten bedeuten.
Außerdem brauchen Kühe mit Hörnern mehr Platz im Stall, zum Beispiel in den herkömmlichen Fressgittern auf dem Futtertisch oder im Klauenstand kann es für Kühe mit Hörnern eng und umständlich werden.
Wie werden Kälber enthornt?
Kälber bis zur sechsten Lebenswoche dürfen betäubungslos enthornt werden, darüber hinaus braucht es einen triftigen Grund und eine Betäubung durch den Tierarzt. Bei der Enthornung von Kälbern gilt übrigens „je eher, desto besser“. Bereits ab der zweiten Lebenswoche lassen sich die Hornanlagen als „Knospen“ erfühlen und sehen – ab diesem Stadium ist die betäubungslose Enthornung erlaubt (2.-6. Woche). Dabei gilt: Je länger die Enthornung aufgeschoben wird, desto größer werden die Hornknospen und desto größer der Eingriff.
Werden auch Bio-Kälber enthornt?
Der Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 889/2008 schreibt vor, dass die Enthornung von ökologischen Tieren nicht routinemäßig durchgeführt werden darf:
Aus Sicherheitsgründen oder wenn sie der Verbesserung der Gesundheit oder des Befindens der Tiere dienen, kann die Enthornung von der zuständigen Behörde jedoch fallweise genehmigt werden.
Jegliches Leid der Tiere ist auf ein Minimum zu begrenzen, indem angemessene Betäubungs- und/ oder Schmerzmittel verabreicht werden und der Eingriff nur im geeigneten Alter und von qualifiziertem Personal vorgenommen wird.
Eine Enthornung von Kälbern wird also auch im Bio-Bereich praktiziert.
thermische Enthornung
Ab einer Klassifizierung wie “Tierwohl-Milch” (und auch auf einem Bio-Betrieb) müssen die Kälber neben dem Schmerzmittel vor der Enthornung durch den Tierarzt örtlich betäubt werden. Im konventionellen Eingriff werden die Tiere sediert, wodurch sie während des Eingriffes nicht bei vollem Bewusstsein sind. Nur bei einer Betäubung spricht man von einer “vollständigen Schmerzausschaltung”.
Unter Umständen können nach der Enthornung Ohrenschütteln, Kopfreiben und Schwanzschlagen auftreten.
Praxisbeispiel Enthornung auf einem konventionellen Milchviehbetrieb (ohne Tierwohl-Klassifizierung)
Alternative zur Enthornung?
Eine mögliche Alternative, neben der behornten Kuh, ist der Einsatz von genetisch hornlosen Tieren. Rinderrassen, wie Aberdeen Angus, Deutsch Angus oder Galloway haben von Natur aus keine Hörner. Für die Hornloszucht von behornten Rassen, wie Holstein Frisians (Otto-Normal-Milchkuh-Rasse) wird ein hornloses Tier eingekreuzt. Das klappt besonders gut, denn Hornlosigkeit wird dominant vererbt (setzt sich also durch, sofern ein Elterntier kein Anlagenträger für Hörner ist).
Bei diesem Zuchtverfahren wird jedoch zwangsläufig die Inzucht (also die erbliche Ähnlichkeit zwischen den Tieren) erhöht. Außerdem sehen Institutionen wie das FiBL diese Zuchtform kritisch, da durch die Verdrängung von horntragenden Vertretern langfristig eine ganze Rasse züchterisch enthornt wird.
Aktuell ist der Einsatz von hornlosen Tieren, durch einen entsprechenden hornlosen Bullen oder Bullensperma, für den Tierhalter auch noch eine Kostenfrage, denn hornlose Tiere kosten entsprechend mehr, als behornte.
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Eine Medikation richtet sich in aller Regel nach dem Gewicht und Alter des Tieres. Der Tierhalter ist befugt seine Tiere zu sedieren, eine örtliche Betäubung (Anästhesie) darf aber nur der Tierarzt einleiten.
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https://www.fibl.org/fileadmin/documents/shop/1662-kuhhorn.pdf
https://www.ubrocare.de/enthornung.aspx
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August 29, 2021