Vielleicht hast du dich schon mal gefragt wie eigentlich Schafe geschoren werden? Dann ist dieser Beitrag genau das Richtige für dich, denn ich konnte vor kurzem live dabei sein. Also nehme ich dich einmal live und in Farbe mit – ganz nah an den Schafscherer und zwischen die Schafe.
Warum müssen Schafe überhaupt geschoren werden?
Hast du gewusst, dass das Schaf nicht werksfertig in “Wolledition” frei Haus geliefert wurde? Früher hatten die Schafe einen normalen Fellwechsel. Heute gibt es nur noch wenige Schafrassen, die ihr Fell selbstständig (also ohne Schur) wechseln. Sogenannte Nolana-Schafe sind Schafe ohne Wolle, zu denen Rassen wie das Kamerunschaf zählen, diese Rassen sind gewissermaßen der Ursprung der Schafe.
Beim Schaf, wie wir es heute kennen, unterscheidet man drei verschiedene Haarsorten: Stichelhaar (bei allen Schafen meist im Gesicht und an den Beinen), das Grannenhaar (Heidschnucken, lockiger, Wasser kann hier sehr gut abtropfen) und das Wollhaar (weich und flauschig).
Das Wollhaar ist quasi die herausgezüchtete Unterwolle, denn das ein Schaf Wolle bildet, geht auf eine Mutation zurück. Grund dafür ist eine Haarpapille. Wie beim Menschen auch, liegt die Basis des Haarwachstums in der Unterhaut. Durch eine Mutation (eine Veränderung des Erbgutes) bildet die Haarpapille des Schafes kontinuierlich neue Haarzellen, die verhornen und durch den Druck noch in der Haut abstirbt. Wollhaare sind daher marklos, das heißt leblos. Da die Papille keine Pause einlegt, findet beim Schaf kein Haarwechsel mehr statt. Durch Züchtung (Verpaarung von mutierten Schafen) und Selektion (Aussortierung) hat der Mensch das Wollschaf mit gestaltet. So ist der Anteil der Grannenhaare gesunken und die Wollhaare sind immer länger geworden.
Heute findet man Haarschafe mit natürlichem Haarwechsel hauptsächlich in wärmeren Gebieten der Erde.
Wann werden Schafe geschoren?
Fakt ist Wollschafe müssen mindestens einmal im Jahr geschoren werden, andernfalls ist die Gesundheit der Tiere bedroht. Berichte von Merinoschafen, die am anderen Ende der Welt nach Jahren völlig verwahrlost eingefangen werden, sind daher nicht gängige Praxis.
Wann Schafe geschoren werden sollen, ist ganz unterschiedlich. Einige Schäfer schwören darauf ihre Schafe zu scheren, wenn sie noch im Stall sind (Dezember bis Februar). Das hat den Vorteil, dass die Schafe weniger Platz einnehmen und das Stallklima, also vereinfacht die Luftqualität, im Stall besser ist. Denn in der Wolle staut sich Feuchtigkeit auf und es entwickelt sich ein Mikroklima.
Alle anderen Schäfer, die ihre Schafe erst scheren, wenn sie auf die Weide kommen, scheren sie spätestens im Mai / Juni. Schafescheren steht und fällt aber immer mit dem Wetter. Denn so schnell der Wollmantel auch ausgezogen ist, dauert es doch ein Jahr, bis er voll nachgewachsen ist. Will heißen die Schafe sollen weder frösteln, oder auskühlen, noch sollen sie einen Hitzschlag im Wollpelz bekommen.
Okay, genug! Nun werfen wir einen genauen Blick auf die verschiedenen Formen der Schur:
Eine “Sonderform” der Schur siehst du hier, diese Form dient nämlich nicht zur Gewinnung von Wolle. Dies ist tatsächlich ein altes Foto von mir, dort siehst du, wie Schafen der Hintern freigeschoren wird (Kein Mulesing*!). Geschoren wird hier nur die Wolle bis eben über dem Schwanzansatz, das hat hygienische Gründe, denn wenn Schafe Verdauungsprobleme bekommen und sich Kot in der Nähe des Schwanzes / Hinterns in der Wolle festsetzt, bildet sich dort schnell bei entsprechender Witterung (feucht und warm) ein optimales Mikroklima für die Larven von Fliegen. Denn die werden bekanntlich magisch vom Fäkalien-Geruch angezogen. Legen Fliegen ihre Eier auf dem Schaf ab, dauert es je nach Witterung ein paar wenige Tage, bis sich die Maden (Fliegenlarven) in die Haut der Schafe fressen. Das ist genauso fies, wie es klingt. Befallene Schafe, denen nicht rechtzeitig geholfen wird, sterben in der Folge an einer Blutvergiftung. Die Schwanz- bzw. Hinternschur ist hier also eine Präventionsmaßnahme.
*beim sogenannten Mulesing werden die Hautfalten von Schafen weggeschnitten, um einen Befall durch Fliegen zu vermeiden, diese Behandlung ist umstritten und findet sich vor allem bei Merinoschafen
Auch bei der “Euterfrise” (eigener Neologismus) handelt es sich um eine Schur bei Bedarf.
Bei besonders gewollten Mutterschafen kann es gut und gerne passieren, dass die Lämmer das Euter vor lauter Wolle nicht sehen. Hier hilft der Schäfer bei Bedarf nach, in dem er das Euter freischert bzw. schneidet (mit einer Schere). Je nach Geburtsstadium greift der Schäfer hier nämlich zur Schere, denn hochtragende Schafe werden nicht mehr auf die Scherbank gesetzt, da es ansonsten zur Sturzgeburt kommen kann.
Ist das Euter freigelegt, finden die Lämmer die Zitzen ihrer Mutter besser. Werden die Euter nicht freigeschoren kann nicht nur die Milchaufnahme gestört sein, sondern kann es auch zu einer starken Augenreizung bei den Lämmern kommen.
Kommen wir zum Wesentlichen. Hauptsächlich sind die Halbschur und Vollschur bedeutend. Die beiden Formen unterscheiden sich eigentlich nur durch ihr Intervall, also die Zeit, die zwischen zwei Schurterminen liegt. Bei der Vollschur werden die Schafe einmal pro Jahr geschoren, während die Schafe bei der Halbschur im Abstand von weniger als acht Monaten geschoren werden. Das heißt bei beiden Versionen werden die Schafe am ganzen Körper geschoren, aber die Wolle ist unterschiedlich lang, da sie unterschiedlich lange Zeit hat nachzuwachsen.
Quasi, kommt das aufs Gleiche hinaus, als wenn eine kurzhaarige Person (in kürzeren Abständen beim Friseur) und eine langhaarige Person (in längeren Abständen beim Friseur) sich eine Glatze schneiden lassen, ist das einzige, was sich bei den beiden unterscheidet der (Woll)Haarertrag bei einem Friseur/Scherbesuch. Aktuell findet sich die Halbschur in der Praxis nur noch bei sehr hochwertiger Wolle, wie Merinowolle (bspw. in Neuseeland und Australien), doch auch zu DDR-Zeiten war sie gängig, denn der Wollertrag, also die Menge an Wolle pro Schaf ist bei der Halbschur tatsächlich größer. Tatsächlich ist es so, dass die 8 Monate, die zwischen zwei Schuren maximal liegen dürfen nicht willkürlich sind, denn ab 8 Monaten bremst das Eigengewicht des Wollvlies das Wollwachstum. Ergo wächst längere und damit hochwertigere Wollfaser, wenn das Schaf mindestens alle 8 Monate geschoren wird. Die Mehrheit der Schafe in Deutschland wird jedoch einmal alle 12 Monate und damit “vollgeschoren”.
Wie läuft die Schur ab?
Ein paar Wollfakten
Wusstest du, dass die schnellsten Schafscherer ein Schaf in unter einer halben Minute scheren können? Die findet man in Neuseeland und diese batteln sich jährlich in der “Golden-Shears” Weltmeisterschaft in Masterton (Nordinsel NZ). Hier wird neben der Schnelligkeit auch die B-Note bewertet. Ein Scherer in Deutschland schert im Schnitt zwischen 150 und 170 Schafe pro Tag.
Hättest du gedacht, dass eine Schafschur hierzulande mehr kostet, als sie dem Schäfer einbringt? Denn auch, wenn ein Schaf von 3 bis zu 5,5 kg Wolle produzieren kann, bekommt der Schafhalter aktuell weniger als 1 Euro pro kg Rohwolle (etwa 40 Cent, vor einem Jahr lag der Wollpreis bei rund der Hälfte). Die Schur eines Schafes kostet etwa 2,50 Euro, der Preis ist aber von Scherer zu Scherer unterschiedlich und hängt auch davon ab, wie viele Schafe ein Schäfer hat. Ein kleiner Hobby-Schafhalter muss oft tiefer in die Tasche greifen, als ein großer Schäfer mit mehreren hundert Tieren, damit sich der Weg für den Scherer lohnt.
Schwarze Schafe sind übrigens unbeliebt auf der Scherbank, denn für schwarze Wolle gibt es keinen Absatzmarkt. Grund dafür ist, dass sich schwarze Wolle im Gegensatz zur hellen Wolle nicht einfärben lässt, was die Verwertung in der Wollverarbeitung schwer macht.
Hast du noch Fragen? Dann immer raus mit der Sprache 🙂
Juni 17, 2021