Öffentlichkeitsarbeit für jeder*mann*frau*tier.

Ziel dieses Öffentlichkeitsarbeits-Startup ist es Tierrechtler, Landwirte, Verbände und Verbraucher an einem virtuellen runden Tisch zusammenkommen zu lassen. Das Repertoire enthält daher ein breites Informationsangebot für ein besseres (realitätsnäheres) Verständnis für die landwirtschaftliche Praxis & den interessierten Verbraucher.

Du möchtest regelmäßig tierischen Content in deinem E-Mail Postfach? Worauf wartest du dann noch? Schreib dich ein für den Newsletter:

Image Alt

Zu Besuch auf einem Milchviehbetrieb im Allgäu

Kürzlich durfte ich Stallluft im Allgäu schnuppern. Heute nehme ich euch mit hinter die Kulissen eines Bioland-zertifizierten Allgäu-Betriebs. Wie gehabt bleibt der landwirtschaftliche Betrieb anonym und auch der genaue Ort diskret. Solltest du Fragen zum Beitrag haben, dann darfst du sie aber natürlich jeder Zeit stellen.

 

diese Glocken tragen die Schumpen auf der Alm.

 

Vielleicht kennst du die Bilder von Kühen mit Glockenhalsbändern, die oben in den Bergen, oder an Hängen grasen? Diese Herden sind typisch fürs Allgäu. Für gewöhnlich werden die Erstkalbinnen, also die Kühe, die das erste Mal in ihrem Leben tragend sind, im Juni / Juli auf die Alm (auch Alp(e), Alb) gebracht. Diese Bergweiden liegen soweit ab vom Schuss, dass sie meistens so einsam sind, dass sie sogar außerhalb des Telefonnetzes sind. In nördlicheren Regionen werden Erstkalbinnen unter anderem Färsen, Starke oder Queen(e) genannt. Im Allgäu nennt man eine Erstkalbin hingegen Schumpe. 

 

 

 

 

 

diese Kühe habe ich beim Spazierengehen “getroffen”, sie gehören nicht zum Betrieb und dienen nur der Veranschaulichung. Sie sind noch nicht in den Stall gezogen, sondern grasen auf hofnahen Weiden (nicht mehr auf der Alm).

Auf der Alm verbringt die Herde, die aus rund 70 Schumpen (tragend und alle Tiere, die älter als ein Jahr sind) besteht, etwa drei Monate mit ein und derselben Hirtin. Die Hirtin bleibt bis zum Almabtrieb Tag und Nacht bei der Herde und wandert mit ihr auf dem weitläufigen Gebiet hin und her. Sie kennt sogar jedes Tier so gut, dass sie ihnen Kosenamen gibt und wenn die Bäuerin zu Besuch auf die Alm kommt, genau sagen kann, wo sich welches Tier im aktuellen Moment befindet.

 

 

 

 

 

Besondere Schmuckglocken, die nur für den Almabtrieb rausgeholt werden

Traditionellerweise fällt der Almabtrieb auf den zweiten Samstag im September, im Ausnahmefall (bspw. verfrühter Wintereinbruch) kann er situationsabhängig vorverlegt werden. Nur, wenn alles nach Plan stattfindet, wird der Almabtrieb mit einem großen dorfübergreifenden Fest zelebriert. Pro Herde wird anlässlich des besonderen Tages eine Kuh mit einem Blumengesteck und einer besonderen Glocke geschmückt. Diese Kuh-Tracht sieht nicht nur schön aus, sondern signalisiert, dass die Almsaison ohne Zwischenfälle verlief. Denn der Landwirt / die Landwirtin darf ihre Kuh nur schmücken, sofern weder Tier, noch Mensch während der Almsaison zu Schaden gekommen ist. 

 

 

 

 

 

Almabtrieb: Hier mal ein paar Impressionen, die mir die Allgäu-Bäuerin mit auf den Weg gegeben hat :):

 

Nach dem Almabtrieb:

 

Braunvieh-Kuh beim Melken

Auf dem Hof im Tal angekommen, ziehen die Schumpen nach dem Kalben in den Laufstall um. Dieser Laufstall ist in diesem Fall so konzipiert, dass die Kühe zwischen drinnen und draußen (Laufhof mit Kuhbürste) wechseln können. Gemolken werden auf diesem Hof etwa um die 30 Kühe und damit weniger als halb so viele Kühe, wie deutschlandweit im Durchschnitt (rund 70 Kühe; in Schleswig-Holstein lag der Schnitt 2017 bei fast 100 Kühen). Schon auf den ersten Blick fällt auf, dass die Herde sehr bunt ist: Hier gibt es keine Holstein-Frisian, die im Norden fast ausschließlich anzutreffen sind, sondern Pinzgauer, Murnauer-Werdenfelser-Rinder, Fleckvieh, Braunvieh und Kreuzungen aus diesen Rassen.

 

 

 

Auch, wenn einige der Tiere in der Herde aktuell noch Hörner tragen und die Familie lange Zeit auf horntragende Tiere gesetzt hat, besamt sie ihre Kühe mittlerweile mit genetisch hornlosen Bullen. Grund dafür ist das erheblich höhere Verletzungsrisiko im Laufstall (trotz großzügigem Platzangebot und Öko-Standards). Mehr rund um das Thema Kuhhorn findest du hier.

Übrigens habe ich auf diesem Betriebsbesuch auch noch verschiedene Bezeichnungen für den ersten und zweiten Schnitt (Grasernte für die Futtergewinnung) gelernt, die ich euch nicht vorenthalten möchte:

  1. Schnitt: Heumahd (noch ziemlich unspektakulär)
  2. Schnitt: Grummet, (Emde, Ettrön); da der erste Schnitt den höchsten Ertrag hat, ist der zweite Schnitt feiner

Hast du das alles gewusst? Was hat dich überrascht?

 

P.S.: Übrigens wurde ich eingeladen, im nächsten Jahr zur Almsaison wiederzukommen – vielleicht mit Chance auf dem Almabtrieb! Ich bin sehr gespannt 🙂

Literatur:

Statistisches Amt für Hamburg und Schleswig-Holstein (2017): Die Viehwirtschaft in Schleswig-Holstein 2017, [online] https://www.statistik-nord.de/fileadmin/Dokumente/Statistische_Berichte/landwirtschaft/C_III_j_S/C_III_j17_SH.pdf [abgerufen 22.11.2021].

 

 

Category:

Date: