Tierwohl wird meistens mit Nutztieren in Verbindung gebracht. Die populärsten Nutztiere sind zweifelsohne Schweine, Geflügel und Rinder. Aber wusstest du, dass auch die Haltung von Fischen, die Aquakultur, ein landwirtschaftlicher Betriebszweig ist?

Was versteht man unter Aquakultur?

Kurz gesagt die Kultivierung – also die planmäßige Züchtung durch den Menschen – von im Wasser lebenden Organismen. Darunter fallen Fische, Muscheln, Krebstiere und Wasserpflanzen.

vereinfachte Definition nach der Ernährung- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinigten Nationen (FAO, 1988)

Im Unterschied zu wildgefangenen Fischen, die auf der See gefangen werden, hat der Mensch in Aquakultursystemen einen direkten Einfluss auf den Besatz, also die Menge an Fisch pro Kubikmeter Wasser, die Fütterung (Menge und Qualität) und die genetische Fitness der gehaltenen Fische (Wahl bestimmter Genetik). Wie landwirtschaftliche Nutztiere sind Fische in aquatischen Systemen auch „Eigentum“ von einzelnen Personen oder Betrieben. Das Wohlergehen der Fische liegt in der Hand des Fischhalters.

Forelle in einem Versuchsaquarium (Kreislaufanlage) im GMA, 2021

Warum braucht es Aquakultur-Fische?

Aquakulturen haben das Potenzial die Überfischung der Weltmeere zu verringern, denn in ihnen wird im großen Stil Konsumfisch produziert, beidem unter anderem kein Beifang entsteht. Aber ist das wirklich so einfach? Die Aquakultur hat auch ihre Schwächen, ein großer Kritikpunkt ist der Einsatz von Fischmehl. Denn Fischmehl, also im vereinfachten Sinne gemahlener Fisch und Fischbestandteile, stammen vielfach wiederum aus dem Wildfang. Fisch mit Fisch füttern, um Fisch für den Menschen zu produzieren, sorgt nicht automatisch für ein Wildfang-freies Endprodukt. Ein Grund, warum Fischmehl gerne in Aquakulturen eingesetzt wird, ist die Zusammensetzung des Mehls: Bei Fischmehl handelt es sich um ein hochwertiges Protein-Futter, das fleisch- und allesfressenden Fischarten, wie Lachs und Forellen die optimalen Bausteine für ein gutes Wachstum liefert. 

Seit Jahren forscht die Wissenschaft an pflanzenbasierten Ersatzprodukten, um den Einsatz von Fischmehl weiter zu reduzieren. Pflanzliche Ersatzproteine wie Soja und Raps können aber nicht unbegrenzt eingesetzt werden; da es unter anderem zu Durchfällen kommen kann.

Das Fish-in/Fish-out-Verhältnis, also das Verhältnis von eingesetztem Wildfisch zu produziertem Aquakulturfisch, schwankt mittlerweile je nach Fischart zwischen 3 und 0,5. In den 1990er Jahren brauchte es noch 7,5 kg Wildfisch für 1 kg Lachs.

Pflanzen- und allesfressende Fischarten, wie Karpfen, Wels und Tilapia brauchen keine Fischproteine, um optimal zu wachsen – sie stehen also nicht in unmittelbarer Konkurrenz mit den Wildfischen.

Fakt ist: Ohne Fische aus Aquakulturen und damit rein aus Wildfang, lässt sich die steigende Nachfrage nach Konsumfisch schon lange nicht mehr decken. Alleine in Deutschland wurden 2019 pro Kopf und Jahr etwas mehr als 13 kg Fisch (inklusive Krebs- und Weichtiere) konsumiert. Das ist viel mehr, als die Produktion und der Fang im Inland hergeben. Aktuell liegt der Selbstversorgungsgrad, also das Verhältnis von Produktion zu Konsum bei 25 %. 75 % des in Deutschland konsumierten Fisches ist demnach Importware.

Wie und wo werden Fische gehalten?

Der größte Exporteur von Fisch ist China (fast 64 Mio. Tonnen im Jahr 2019). Zu den größten globalen Produzenten gehören außerdem Indonesien, Indien, Vietnam, Bangladesh, die Philippinen, Süd Korea, Ägypten, Norwegen und Japan.

In der Aquakultur unterscheidet man grundsätzlich zwischen offenen und geschlossenen Systemen, alle Systeme unterscheiden sich nach der Art der Wasserführung:

offene Systeme

„offen“ ist ein Haltungssystem, wenn es mit seiner Umgebung eng verbunden ist. Das Fischhaltungssystem ist also nicht von der Außenwelt abgeschlossen, sondern vielmehr in sie integriert und steht mit ihr in einem Austausch.

Zu den offenen Systemen gehören Teichanlagen, die vor allem in der Karpfenzucht verwendet werden, wie auch Durchflussanlagen und Netzgehege. Letztere finden sich vor allem in der Lachszucht in Norwegen. Problematisch an den Netzgehegen ist die mögliche Anreicherung von Futtermitteln im Gewässer und die Ansteckungsgefahr durch Wildfische.

Im sogenannten Durchflusssystem                                 sorgt ein natürlicher Wasserfluss dafür, dass das Haltungswasser der Fische (meistens Forellen) sauber bleibt. Denn die Strömung leitet Kot und Futterreste, aber auch Medikament- und mögliche Düngemittelrückstände kontinuierlich weiter.

geschlossene Systeme

stark vereinfachte Darstellung einer Kreislaufanlage

Die sogenannte Kreislaufanlage funktioniert vereinfacht wie ein Aquarium. Hier wird das Schmutzwasser (Kot, Futterreste) kontinuierlich durch aufbereitetes Wasser ersetzt. Meistens findet sich dieses Haltungssystem indoor in Hallen. Durch die Aufbereitung des Wassers, wird die Umwelt kaum belastet und eine vergleichsweise geringe Menge Wasser durch frisches ausgetauscht. Licht- und Temperaturverhältnisse lassen sich optimal an die Fischart anpassen, weshalb diese Haltungsform für eigentlich alle Fischarten geeignet ist.

Ein besonderes System ist die Aquaponik – hier werden Pflanzen- und Fischproduktion miteinander verknüpft. Fischkot als Dünger und Sauerstoff durch die Photosynthese für die Fische, ist hier die Devise.

Wie beeinflusst der Mensch das Fischwohl?

Der Dreh- und Angelpunkt in der Fischhaltung ist – wer hätte es gedacht: WASSER

In der Aquakultur spielen Wasser-Parameter daher eine zentrale Rolle bezogen auf die Fischgesundheit:

  • chemisch: wie Leitfähigkeit, pH-Wert, CO2, Sauerstoff- und Schwermetall- und Schadstoffkonzentrationen (Nitrit, Ammonium)
  • physikalisch: wie Dichte, Licht, Strömung
  • biologisch: Keimbelastung

Da die Qualität des Haltungswasser die zentrale Rolle in der Tiergesundheit spielt, können sich Fehler schnell negativ auf das Fischwohl auswirken. Der größte Trumpf, kann also schnell zum Teufelskreis werden. Daher ist die Stellschraube Nummer eins vor allem die Aufrechterhaltung der Wasserqualität, aber auch die Futterqualität und eine optimale Besatzdichte können sich positiv auf das Fischwohl auswirken. Darüber hinaus sind ein stressfreies Handling und eine tiergerechte Betäubung & Schlachtung für das Tierwohl unverzichtbar. (Der Umgang mit Fischen ist wie der von Säugetieren in der Tierschutzschlachtverordnung und dem Tierschutzgesetz geregelt.)

Lässt sich das Tierwohl von Säugetieren 1 : 1 auf Fische übertragen?

Das aquatische Lebewesen grundlegend andere Bedürfnisse haben, als Landsäugetiere, fällt schnell auf: Zum Beispiel brauchen Fische keine Zugabe von zusätzlichem Trinkwasser ins Haltungswasser und können bei geringen Temperaturen (Stoffwechselvorgänge verlangsamen sich) tagelang ohne Futtergabe auskommen. Die 5 Freiheiten (FAWC), wie du sie im allgemeinen Tierwohl-Post schon kennengelernt hast, lassen sich also nicht 1 : 1 auf Fische münzen. Außerdem ist eine Einzeltierbehandlung in der Fischhaltung nicht wirklich möglich und nicht tierschutzgerecht die Fische werden immer als Gruppe betrachtet.

Lange Zeit war strittig, ob Fische Gefühle wie Schmerz empfinden können. Nach dem heutigen Stand der Forschung steht fest, dass Fische, auch wenn sie keine Hirnanhangsdrüse (Motor des autonomen Nervensystems) besitzen, Schmerz empfinden können. Ergo empfinden auch Fische so etwas wie Schmerz und Unwohlsein, ob sie den Grund für ihr Unwohlsein aber selbst bewusst sind und dadurch „bei vollem Bewusstsein“ leiden, ist noch nicht geklärt.

Wie geht Fischwohl?

Mehr Platz pro Fisch gleich höheres Fischwohl, könnte man nun vielleicht denken. Aber so einfach ist die Lösung – ähnlich wie bei Schwein, Rind und Huhn – leider nicht. Verschiedene Forschungsprojekte haben sogar ergeben, dass es einen bestimmten Mindestbesatz an Fischen unbedingt braucht. Würde man den Fischen trotzdem mehr Platz geben, also weniger Fische halten, dann verstärke sich die Rivalität unter den Fischen. Mögliche Folgen wären verletzte und gestresste Fische. Außerdem werden Feststoffe, wie Futterreste und Kot durch die Fische in Bewegung gebracht – so unterstützen die Fische die Selbstreinigung des Haltungswassers (abgesetzte Stoffe lassen sich nicht problemlos über die Wassersäule entfernen). Um Fischwohl messbar und beurteilbar zu machen, braucht es wie auch im terrestrischen Bereich Indikatoren. Wie bei den Landsäugetieren müssen diese auch sicher, wiederholbar und praktikabel sein.

Fischwohl-Indikatoren

Wie bei den Landsäuge-Tieren wird in tier-, verhaltens- und haltungsumweltbasierte Indikatoren unterschieden.

  • tierbasiert bspw. Unversehrtheit von Flossen, Augen, Kiemen und Kotkonsistenz
  • verhaltensbasiert bspw. Aggression, Verteilung im Raum, Wachstum
  • haltungsumweltbasiert v.a. Wasserqualitätsparameter

Vor allem haltungsumweltbasierte Indikatoren müssen kontinuierlich erfasst werden, um bewertbar zu sein. Die Bewertungssysteme müssen darüber hinaus auf die verschiedenen Entwicklungsstadien (Erbrütung, Larvenaufzucht, Setzlingserzeugung, Ausmast, Laichfischhaltung) angepasst werden.

Forellen in der GMA in Büsum, die im Rahmen eines Fütterungsversuches in einer Kreislaufanlage gehalten werden
Versuchstiere eines anderen Beckens: Lachse in der GMA in einem anderen Fütterungsversuch

Aktuelle Forschungsfelder

Die Wissenschaft nimmt aktuell Einflussgrößen, wie Haltungsdichte, Beschattung und das allgemeine Handling (Abfischen, Transport, Betäubung und Schlachtung) unter die Lupe. Auch die Strukturierung von Aquakulturhaltungssystemen – quasi der Effekt eines „möblierten“ Beckens – wird erforscht.

Von den weltweit vorkommenden 32 500 Fischarten, werden etwa 150 Fischarten in Aquakulturen gehalten. Diese Artenvielfalt macht die Aquakultur zu einem heterogenen Feld. Um Fischwohl messbarer zu machen, werden mehrere Fischwohl-Indikatoren zu einem Index zusammengefasst. Die so entstehenden Indexmodelle, können international gültig, einheitlich und objektiv eingesetzt werden. Ein Beispiel für einen solchen Index ist das sogenannte Zander-Welfare-Index-Modell (ZWIM 1.0) des Instituts für Binnenfischerei Potsdam.

Auch in Schleswig-Holstein steht die Fischwohl-Forschung nicht still – in Büsum erforschte die Gesellschaft für Marine Aquakultur (GMA) von 2017 bis 2020 konkret die Tierschutzaspekte in der deutschen Forellenhaltung. Dabei wurde vor allem der mögliche Negativ-Einfluss von Stress auf die Tiergesundheit erforscht. Neben der Haltungsumwelt wurden Körper-Indizes wie das Gewicht, Flossenindizes und das Immunsystem, wie auch der Zustand der Organe, wie beispielsweise das Größenverhältnis von Leber zum Gesamtkörper beurteilt und ausgewertet. Beim Sezieren der Forellen wurden auch alle Organe auf Entzündungen und Veränderungen untersucht, die auf Stress zurückzuführen wären. Der Stresshormon-Level der Versuchsgruppe wurde ständig mit denen einer Kontrollgruppe verglichen.

Außerdem setzt sich der „Initiativkreis Tierschutzstandards Aquakultur“ der Albert Schweitzer Stiftung aktiv für die Umsetzung von internationalen Tierschutzstandards in der Aquakultur ein.


Kurz gesagt

Tierwohl gilt nicht nur für Landsäugetiere, sondern kann weiter gefasst werden, als man auf den ersten Blick vielleicht denkt. Fischwohl ist eine Sonderform von Tierwohl, zwar gibt es Parallelen, aber auch elementare Unterschiede. Das Haltungswasser hat einen besonders großen Effekt auf das Wohlergehen der Fische in Aquakulturen. Auch, wenn man denken könnte, dass mehr Platz per se nicht schlecht sein kann, ist er nicht immer förderlich für ein höheres Fischwohl. Fischwohl und Tierwohl haben einen großen gemeinsamen Nenner: Sie sind noch immer nicht zu 100 % erforscht.

Kurz gesagt

Tierwohl gilt nicht nur für Landsäugetiere, sondern kann weiter gefasst werden, als man auf den ersten Blick vielleicht denkt. Fischwohl ist eine Sonderform von Tierwohl, zwar gibt es Parallelen, aber auch elementare Unterschiede. Das Haltungswasser hat einen besonders großen Effekt auf das Wohlergehen der Fische in Aquakulturen. Auch, wenn man denken könnte, dass mehr Platz per se nicht schlecht sein kann, ist er nicht immer förderlich für ein höheres Fischwohl. Fischwohl und Tierwohl haben einen großen gemeinsamen Nenner: Sie sind noch immer nicht zu 100 % erforscht.

Literatur:

vertiefende Informationen zu Fischwohl-Indikatoren gibt es bei der DLG, die zwei fischwohlspezifische Merkblätter veröffentlicht hat, die hier zu finden sind:

„Tierwohl in der Aquakultur“

„Tierschutzaspekte in der Forellenhaltung“

Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (2013): Aquakultur – eine gute Alternative?, in bund.net,  [online] https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/meere/131204_bund_meeresschutz_aquakultur_faltblatt.pdf [aufgerufen am 10.05.2021].

Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (o.J.): Aquakultur Fisch für alle?, [online] https://www.bund-sh.de/fileadmin/sh/Materialien/Hintergrund/2013-10-24_Aquakultur_Hintergrund.pdf [aufgerufen am 10.05.2021].

Food and Agriculture Organization of the United Nations (o.J.): Definitions, in FAO, [online] http://www.fao.org/3/x6941e/x6941e04.htm[aufgerufen am 10.05.2021].

Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (o.J.): Zander, in Aquakulturinfo , [online] https://www.aquakulturinfo.de/zander [aufgerufen am 10.05.2021].

Müller-Belecke, A. / M. Pietrock / U. Brämick (2020): Ansätze zur Beurteilung und Aufrechterhaltung von Tierwohl in der Aquakultur, in Fachinformation des Instituts für Binnenfischerei e.V. Potsdam-Sacrow

Weirup, Lina / Seibel, Henrike (2020): Schmerzempfindung bei Fischen, in Aquakulturinfo [online] https://www.aquakulturinfo.de/schmerzempfindung-bei-fischen [aufgerufen am 10.05.2021].

World Ocean review 2 (2013): Die Zukunft der Fische – die Fischerei der Zukunft, in world ocean review, [online]

https://worldoceanreview.com/de/wor-2/aquakultur/umweltbewusste-aquakultur/wie-viel-fisch-braucht-der-fisch/ [aufgerufen am 10.05.2021].

Y. Wie Rolando (2019): Top Countries For Aquaculture Production, in WorldAtlas, [online] https://www.weltexporte.de/fisch-exporte/ [aufgerufen am 12.05.2021].

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