Unterwegs mit dem Fischer – einmal den Fluss rauf und wieder runter
Heute nehme ich dich mit aufs Wasser – genauer gesagt mit auf den Fluss. Ich hatte die Möglichkeit mit einem Fischer auf einer Binnenwasserstraße seine 16 Fangreusen abzufahren. Von diesen kleinen Fischern gibt es immer weniger, denn der Fischfang im kleinen Stil wird immer unlukrativer. Ein Grund dafür ist, dass sich die Nachfrage stark verändert hat. Auf der einen Seite steht der Konsument, der immer wählerischer wird, und auf der anderen Seite der Fischbestand, der immer weniger wird.
Meine Vorfahren hatten selbst ein Fischgeschäft, doch auch in meiner Familie ist die Fischerei seit Jahren ausgestorben. Umso mehr freue ich mich, dass ich dir nun hier einen kleinen Einblick in den Alltag eines noch aktiven kleinen Fischers geben kann, der das Geschäft vor rund drei Jahrzehnten von seinem Vater übernommen hat.
Wie immer gilt: Der Fischer bleibt wie die Landwirte auch anonym. Außerdem möchte ich, dass du weißt, dass der exemplarische Fischer keinesfalls stellvertretend für alle Fischer zu sehen ist; denn auch die Fischerei ist sehr heterogen. Es handelt sich um ein kleines einzelnes Ein-Mann-Unternehmen, von denen es vor einigen Jahren an gleicher Stelle noch 10 Stück gegeben hat. Andernorts kann die Situation aber schon wieder eine ganz andere sein; daher ist dieser Beitrag wie gehabt nicht allgemeingültig.
Reusen
Auf dem rund 10 km langen Flussstück bringt der Fischer im April seine Reusen aus, diese sind zwischen Holzpfählen gespannt und etwa 5 bis 6 Meter lang. Im zweitägigen Rhythmus fährt er sie alle der Reihe nach mit seinem Boot an und kontrolliert sie. Dabei entleert er den Inhalt der Reuse in einem Bottich, der im Boot steht. Mit schnellem Handgriff und geschultem Auge sortiert er die Fische, die groß genug sind, in ein Wasserbecken in der Bootsmitte. Der kompletten „Beifang“, also Fische, die zu klein sind, oder „Nicht-Zielarten“ (beispielsweise geschützte Arten), oder Fische für die er wegen einem zu hohen Grätenanteil (Brasse) keine Abnehmer finden würde, kommt dann unverzüglich wieder zurück ins Flusswasser.
Hier siehst du eine der Reusen. Sie wird aus dem Wasser gezogen. Unten siehst du Fische und Krabben. Sobald die Reuse vollständig aus dem Wasser gezogen ist, wird sie in einen Bottich entleert und das Sortieren des Fangs beginnt:
Ballast in Form von Wollhandkrabben
Schon bei der ersten Entleerung in den Bottich fallen die chinesischen Wollhandkrabben auf. Davon hat er hier eine ganze Menge, sagt der Fischer. In einem Jahr fischt er rund 6 ½ Tonnen Wollhandkrabben.
Aber was hat es mit diesen Krabben auf sich?
Chinesische Wollhandkrabben sind seit Anfang des 20. Jahrhunderts in Europa zu finden, dato wurden sie mit dem Ballastwasser von Schiffen eingeführt. Ballastwasser nimmt zum Beispiel ein unbeladenes bzw. ungleichbeladenes Schiff auf (pumpt es in den Ballastwassertank), um sich auszutarieren. Wird der Ballast in Wasserform dann nicht mehr gebraucht, weil zugeladen wird, dann wird er wieder rausgepumpt.
Auf diese Weise schleust der Mensch gebietsfremde Arten auf der gesamten Welt ein. Diese Arten werden Neobiota („neo“ für „neu“ und „biota“ für „Lebewesen“) genannt. Problematisch ist diese schnelle und menschgemachte Verbreitung, weil die neuen Arten meistens einen entscheidenden Vorteil gegenüber der vorherrschenden Flora und Fauna haben. Denn das Ökosystem, auf das sie treffen ist nicht auf die „neue Art“ eingestellt. Meist fehlen natürliche Antagonisten (Fressfeinde) und im schlimmsten Fall treten die Neobiota in direkte Konkurrenz mit heimischen Arten, die sie unterdrücken.
Die Wollhandkrabbe ist vor allem bei Anglern und Fischern unbeliebt. Denn sie zerschneidet die Netze und oder greift die Fische in den Reusen an. Ein Grund, warum auch der Winter für den Fischer arbeitsreich ist, denn er muss die in Mitleidenschaft geratenen Netze und Reusen wieder in Stand setzen.
Wollhandkrabbe ein Geschäft?
Pro Jahr landen circa 6 ½ Tonnen Wollhandkrabben alleine in den Netzen des kleinen Fischers. Sobald die Wollhandkrabben einen Rumpfdurchmesser von 10 Zentimetern haben, sammelt er sie ein. Von der Bruttomenge (6 ½ Tonnen) bleiben schlussendlich so zwischen 200 und 300 kg verkaufstaugliche Krabben übrig. Da sich der Verkauf erst ab einer Menge von 100 kg „lohnt“, werden die Krabben in Käfigen in Landnähe „zwischengeparkt“. Wobei das Wort „lohnen“ hier vorsichtig formuliert ist, denn bezogen auf den Schaden, den die Krabben anrichten, ist das Geschäft nicht wirklich kostendeckend. Will heißen: Unterm Strich kostet die Krabbe das Portemonnaie des Fischers mehr, als dass sie einbringt.
Krabben-Abnehmer ist vor allem, die chinesische Küche; denn dort ist sie eine Delikatesse.
Direktvermarktung
Pro Jahr fischt der Flussfischer in seinen Reusen, von denen es später im Jahr mehr als 16 sind, nicht ganz 200 kg verkaufsfähigen Fisch. Den Großteil seines Fischs verkauft er fangfrisch an seine Stammkunden. Die Zeit, um auf einen Wochenmarkt zu fahren, die fehlt ihm, genauso wie einen Lieferservice nach Hause anzubieten. Hat er doch einmal einen Überhang (also mehr gefischt, als er unter die Leute bekommt), dann verkauft er den Fisch an den Händler weiter. Das passiere aber immer seltener, erzählt er. Für seine Stammkunden räuchert er, sobald die Aal-Saison anfängt seinen Fisch, dann könne er auch einen höheren Preis für die Fische verlangen. Aber auch hier rechnet er ohne seinen Stundenlohn. Vielleicht klingt das merkwürdig für dich. Am Ende unserer mehr als zweistündigen Fahrt hatte der Fischer rund 45 Euro Fangfisch zusammen – sein Lohn für zwei Tage. Die Ausbeute: eine Handvoll Barsche, zwei verletze Zander, zwei gesunde und ein Karpfen. Allein vom Fischfang könne er nicht leben, aber er habe eine nette Ehefrau, die ihn umsorgen würde, sagt er scherzhaft. Sein kleines Unternehmen wird mit seiner Rente aller Voraussicht nach auslaufen.
100% Handarbeit
Bei einem kleinen Ein-Mann-Unternehmen, wie dem obigen, ist der Fischer so nah am Fisch wie möglich. Hier hat er alles vom Netz, über den Fisch in der Reuse, bis hin zur Verarbeitung und dem Verkauf selbst in der Hand und auch im Blick. Aus dieser Struktur geht ein voll-transparentes Endprodukt hervor. Ein Vorteil von diesen kleinen Strukturen ist, dass der Fisch vergleichsweise schonend gefangen wird und der Beifang so in der Regel unbeschadet zurück ins Wasser kann. Bei großen Fischnetzen ist die Unversehrtheit des Beifangs nicht unbedingt gesichert.
Pluspunkte mit Blick auf das Fischwohl: Der Fisch lebt in seiner natürlichen Umgebung und ist bis zum Zeitpunkt seines Todes keinem Stress ausgesetzt, denn er wird noch vor Ort geschlachtet: Bevor es an Land geht, werden die Fische mit einem präzisen Schlag auf den Kopf (Holz) getötet und dann unmittelbar an Land ausgenommen.
Wer darf fischen?
In Schleswig-Holstein darf fischen, wer die Fischereischeinprüfung bestanden und eine Fischereiabgabemarke erworben hat. In der Fischereischeinprüfung wird sowohl das notwendige Wissen im Bereich Fischarten, Fanggeräte und der Versorgung der gefangenen Fische (§ 27 Landesfischereigesetz), als auch die Hege und Pflege der Fließgewässer geprüft. Die Fischerei fußt neben den fischereirechtlichen Vorschriften auf den naturschutz- und tierschutzrechtlichen Vorgaben. Im Bundesland Schleswig-Holstein wird beispielsweise nur der im Bundesland selbst abgelegte Fischereischein anerkannt. Für Besucher aus anderen Bundesländern besteht die Möglichkeit auch ohne Fischereischein einen Urlauberschein zu lösen.
Wichtig ist, dass ein Fischereischein nur dann gültig wird, sofern eine Fischereiabgabemarke erworben wurde (jährlich). Diese Abgabe kommt wieder unter anderem der Pflege der Gewässer zu Gute.
Wer fischt überhaupt noch?
Fischereiprodukterzeugung
in Deutschland
auf einen Blick
13,2 kg Konsum pro Kopf und Jahr (2019)
> 400 000 t Fischereiprodukte
(Hoch-, Binnenfischerei und Aquakultur)
Selbstversorgungsgrad ca. 25 %
52 Binnenfischereibetriebe in SH (2021)
42 000 Beschäftigte (inkl. Verarbeitung)
Versorgungsmenge 1,1 Mio. Tonnen
2 499 Aquakulturbetriebe
18 548 Tonnen Aquakulturfisch
19 413 Tonnen Aquakulturmuscheln
Fischereiprodukterzeugung
in Deutschland
auf einen Blick
13,2 kg Konsum pro Kopf und Jahr (2019)
> 400 000 t Fischereiprodukte
(Hoch-, Binnenfischerei und Aquakultur)
Selbstversorgungsgrad ca. 25 %
52 Binnenfischereibetriebe in SH (2021)
42 000 Beschäftigte (inkl. Verarbeitung)
Versorgungsmenge 1,1 Mio. Tonnen
2 499 Aquakulturbetriebe
18 548 Tonnen Aquakulturfisch
19 413 Tonnen Aquakulturmuscheln
Literatur:
Ahrens, Sandra (2020): Pro-Kopf-Konsum von Fisch in Deutschland in den Jahren 1980 bis 2019, Statista [online] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1905/umfrage/entwicklung-des-pro-kopf-verbrauchs-an-fisch-in-deutschland/ [abgerufen am 11.05.2021].
Ahrens, Sandra (2020): Menge der konsumierten Fische weltweit von 2009 bis 2020, Statista [online] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1905/umfrage/entwicklung-des-pro-kopf-verbrauchs-an-fisch-in-deutschland/ [abgerufen am 11.05.2021].
Destatis (2020): Land- und Forstwirtschaft, Fischerei, Destatis [online] https://www.destatis.de/DE/Themen/Branchen-Unternehmen/Landwirtschaft-Forstwirtschaft-Fischerei/Fischerei/_inhalt.html#sprg239474 [abgerufen am 11.05.2021].
Deutsche Flagge (o.J): Ballastwasser, Deutsche Flagge [online] https://www.deutsche-flagge.de/de/umweltschutz/ballastwasser/ballastwasser [abgerufen am 11.05.2021].