Kälberschnupfen – wenn Kälber schniefen

Laufende Nasen gibt es nicht nur bei uns Menschen sondern auch bei Kälbern. Auch, wenn eine laufende Nase auf den ersten Blick harmlos scheint, kann sie schnell zu einer ernsthaften Erkältung werden, die sich unbehandelt schnell zur Lungenentzündung weiterentwickeln kann.

Wo genau hierbei das Problem liegt und warum eine laufende Kälberschnupfnase ein Ausschlusskriterium beziehungsweise für ein verfrühtes Ausscheiden für die Zukunft des Kalbes als Milchkuh verantwortlich sein kann, erfährst du jetzt. Für diesen Beitrag habe ich sowohl mit Praktikern gesprochen, als auch mit einer Beraterin, wie natürlich auch recherchiert. Bei Fragen, Anmerkungen, oder Gedanken, darfst du mir wie gehabt jederzeit schreiben.

Begriffsdefinition: Wie alt sind Kälber? Kälber sind nach Tierschutznutztierhaltungsverordnung Hausrinder im Alter von Geburt bis maximal 6 Monate.

Erkrankt ein Kalb an einer Atemwegserkrankung (Risiko steigt ab dem 3. Tag), die unbehandelt bleibt und verschleppt sie gar so lange, bis sie zu einer Lungenentzündung (Pneumonie) wird, dann kann das Lungengewebe nachhaltig vernarben. Die Lunge bleibt bis ins Erwachsenenalter vernarbt und kleiner, als bei Kühen, die im Kälberalter unerkrankt waren. Generell ist die Lunge eines Rindes im Vergleich zu seiner Körpergröße beziehungsweise zu seinem Gewicht verhältnismäßig klein ausgeprägt und die Entwicklung der Lunge ist erst im Alter von einem Jahr beendet. Eine verzögerte Entwicklung durch Krankheit sorgt nicht nur für vermindertes Wachstum der Tiere, sondern auch für Störungen in der Ausbildung der lebenswichtigen Organe, deren Größe und Zustand nicht zuletzt für die spätere Milchkuh essentiell sind. Wie in früheren Beiträgen thematisiert, sind Milchkühe Leistungsportlerinnen. Denn für die Bildung eines Liters Milch müssen zwischen 300 und 500 Litern Blut vom Herzen zum Euter transportiert und zuvor mit Sauerstoff angereichert werden. Dass eine Kuh trotz optimaler Ausgangslage (wie beispielsweise genetischer Abstammung und Fütterung) wenig Milch gibt und schlapp wirkt, kann durchaus in einer früheren Lungenentzündung begründet sein.

Wie aber wird das Kalb krank?

Eine Erkältung und auch eine Lungenentzündung haben multiple Gründe.

Es gibt drei Faktoren, die den Krankheitsverlauf maßgeblich beeinflussen:

  • Wie alarm- und kampfbereit ist das Immunsystem? (Grad der Immunität)
  • Welche stressauslösenden Faktoren (Stressoren wie Hitze) gibt es?
  • Wie steht es um die Versorgung der Tiere? (Frisches Einstreu & Zugang zu frischem Wasser)

Außerdem kann ähnlich wie beim Menschen eine Impfung gegen Grippe für einen milderen Krankheitsverlauf sorgen – welche präventiven Mittel und welche Behandlungsmöglichkeiten es gibt, liest du weiter unten.

In vorherigen Beiträgen war bereits die Immunität der Kälber ein Thema. Da das Kalb im Mutterleib keine Antikörper über die Gebärmutter aufnimmt, ist das neugeborene Kalb auf die Zufuhr von Immunglobulinen in den ersten Lebensstunden angewiesen. Passiv immunisiert wird das Kalb durch die Muttermilch (Kolostrum), die reich an Immunglobulinen, wie IgG ist. Da die Versorgung mit genügend Kolostrum in ausreichender Qualität eine besondere Bedeutung für die Abwehrbereitschaft des Immunsystems und damit dem Risiko für Krankheiten, die auf ein schwaches Immunsystem zurückzuführen sind, ist die Mindestmenge an Kolostrum gesetzlich vorgeschrieben.

Im Gesetz ist daher festgelegt, dass ein neugeborenes Kalb in den ersten vier Lebensstunden mindestens zwei Liter aufnehmen muss. (TierSchG)


Aber Kolostrum ist nicht gleich Kolostrum, werden die Kälber trotzdem krank, so ist nicht auszuschließen, dass das Kolostrum von minderer Qualität ist. In diesem Fall sollte daher auch der Gehalt des Kolostrums an Antikörpern gemessen werden.

Wie beim Menschen auch begünstigt Stress ein geschwächtes Immunsystem und kann damit eine Atemwegserkrankung den Weg ebnen. Die negative Beeinflussung durch Stress beginnt genau genommen schon vor der Geburt und damit kann auch unverhältnismäßige Geburtshilfe (z.B. durch zu schnellen Eingriff) das Stresslevel von Muttertier und Kalb erhöhen. Danach können Transporte und das Umstallen/boxen von Kälbern Stress begünstigen. Ein Tier mit einem höheren Stressniveau braucht im Umkehrschluss mehr Energie für die Aufrechterhaltung des Immunsystems. Vereinfacht kann Stress nämlich als Alarm verstanden werden – ein Alarm, der mit dem Alarm, den ein Krankheitserreger auslösen würde, konkurriert. Ein Immunsystem eines gestressten Individuums muss also auf „mehreren Hochzeiten“ tanzen und das funktioniert weniger effizient, als das Immunsystem eines nicht gestressten Tieres, das auf einer Baustelle auf Hochtouren laufen bzw. feuern kann.

Auch die Versorgung des Tieres beeinflusst das Risiko für eine Erkrankung. Frisches Einstreu und eine gute Grundhygiene (zum Beispiel beim Einstallen neuer Kälber) sind genauso wichtig, wie die Bereitstellung von ausreichend frischem Wasser. Der Wasser (Achtung! Nicht zu verwechseln mit Milchbedarf!) eines Kalbes kann bei Erkältungssymptomen auf bis zu 30 Liter pro Tag steigen (mindestens hat ein Kalb einen Grundbedarf von fünf Litern pro Tag) vgl. KTBL.

Ganz besonders wichtig ist das Mikroklima im Stall, je nach Altersstufe hat auch das Rind eine unterschiedliche Wohlfühltemperatur. Während ein Kalb einen Temperaturtoleranzbereich von 16 bis 20 Grad hat, liegt die Wohlfühltemperatur einer ausgewachsenen Kuh bei circa 6 Grad (Toleranz von 0 bis 20 Grad). Die gefühlte Temperatur ist aber auch von der Luftfeuchte abhängig, die zwischen 70 und 80 Prozent liegt. Kurz um muss die Luftfeuchte mit der Temperatur harmonieren. Außerdem braucht das Kalb einen gewissen Luftaustausch (frische Luft), aber keine Zugluft. Sprich ein hermetisch abgeriegelter Stall ist genauso kontraproduktiv, wie ein Kälber-Iglu, dass mit der Öffnung in die Hauptwindrichtung steht. Wichtig ist in jedem Fall ein Mikroklimabereich, in dem die Kälber vor Zugluft geschützt sind.

Wissen für Besserwisser:

Wusstest du, dass es auch Hustensaft für Kälber gibt?

Ist ein Kalb angeschlagen, dann lässt sich Eukalyptus in die Milch rühren, quasi wie eine Art Hustensaft. 

Mantel für Kälber

Schwache und / oder kränkelnde Kälber kann unter Umständen mit einer sogenannten Kälberdecke geholfen werden, damit sie nicht auszukühlen. Diese Art Mantel hat aber nicht nur Vorteile und sollte nicht pauschal bei jedem Kalb angezogen werden. Wird eine Decke vorschnell angezogen, dann kann sie im Zweifelsfall Schwitzen unterstützen und damit das, was es zu vermeiden gilt: das Auskühlen.

Grippeimpfstoff für Kälber

Die Faktoren für eine Infektion sind divers und es gibt mehr als einen Erreger. Daher ist der Grippeimpfstoff ein Wirkstoffkomplex, der übrigens auch Coronaviren enthält. Eine Impfung gegen Grippe ist eine gute Präventivmaßnahme, aber kein Versprechen dafür, dass ein Kalb nicht krank wird.

Wusstest du, dass es Coronaviren auch bei Kälbern gibt und bei Rindern schon seit Jahren bekannt sind?

Das sogenannte Bovines Coronavirus gehört zu den normalen Erregern, die in der Rinderumwelt vorkommen und nur dann zu einer Erkrankung führen, sofern oben genannte Faktoren eintreffen und das Immunsystem schwächen. Übrigens ist das Coronavirus des Rindes so gut an das Rind angepasst, dass es bisher als ungefährlich für den Menschen gilt

End of Cage Age

Immer wieder ist in der Diskussion, dass die Einzelhaltung von Kälbern (in den ersten Tagen bspw. im Iglu) zukünftig in eine Paarhaltung (2 Kälber) gewandelt wird. Das hat zwar unter anderem den Vorteil, dass die Kälber von Beginn an die Möglichkeit haben mit Artgenossen zu interagieren. Aber diese Haltungsform folgert auch einen höheren Keimdruck und eine höhere Luftbelastung durch Gase, wie Ammoniak.

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