Kuh-Kalb-Trennung

Hast du dich schon mal gefragt, warum Kälber von ihren Müttern getrennt werden? Dann ist dieser Beitrag genau der richtige für dich.

Wie du sicher weißt gibt eine Kuh nur dann Milch, wenn sie vorher ein Kalb ausgetragen hat. Ganz gleich, ob konventionell oder biologisch werden die Kälber in den meisten Fällen an ihrem ersten Lebenstag von ihren Müttern getrennt. Das ist unter anderem der Fall, da ein herkömmlicher Milchviehbetrieb den Bedürfnissen eines Kalbes ohne entsprechenden Stall mit integriertem Kälber-Kindergarten und einer Kontaktzone (Besuchszone bei der Mutter), nicht gerecht werden würde. Aber nicht nur stallbautechnische Gründe fließen in die Trennung von Kuh und Kalb ein; auch Hygiene und Gesundheit von Kuh und Kalb sind neben der Milchgewinnung wichtige Kriterien.

Warum werden Kühe oft unmittelbar nach der Geburt von ihren Kälbern getrennt?

Eigentlich ist diese Frage unvollständig, denn die Kälber werden eigentlich nie direkt nach der Geburt von ihrer Mutter getrennt. Es ist sehr wichtig für die Gesundheit des Kalbes die erste Milchaufnahme abzuwarten. Vor der Trennung muss sichergestellt werden, dass das Kalb genügend Kolostrum („Biestmilch“) aufgenommen hat. Diese erste Milch der Kuh ist nicht für den menschlichen Verzehr geeignet, sie ist reich an wichtigen Abwehrstoffen sogenannten Immunglobulinen (der Klasse G). Denn das Kalb kommt ohne Abwehrstoffe zur Welt. Es ist besonders wichtig, dass das Kalb in den ersten vier Stunden nach der Geburt Biestmilch trinkt, da die Aufnahme der Immunglobuline, die im eigentlichen Sinne große Proteine sind, immer schwieriger wird. Direkt nach der Geburt kann das Kalb diese Proteine noch verhältnismäßig über die Darmwand „einbauen“ und dadurch sein Immunsystem stärken – das nennt man in Fachkreisen auch „passive Immunisierung“. 

Nachdem das Kalb genügend Kolostrum aufgenommen hat, wird es in den meisten Fällen in Einzelbox umgestallt. Durch die frühe Trennung von der Mutterkuh wird versucht die Bindung zwischen Mutterkuh und Kalb auf ein Mindestmaß zu begrenzen, um den Trennungsschmerz so klein wie möglich zu halten. Getrennt von der Mutter werden die Kälber aus dem Eimer getränkt. 

Warum trennt man Kalb und Kuh überhaupt?

Würden die Kälber nicht von den Kühen getrennt werden, dann würden die Kühe weniger Milch geben. Nicht nur, dass das Kalb mehr Milch „wegtrinkt“, weil es seinen Bedarf vollständig an der natürlichen Milchbar stillen würde und nicht zu einem Teil aus proteinreichen Milchersatzfuttermitteln (Milchaustauschern). Sondern eine „stillende“ Kuh wäre auch weniger empfänglich für die Saugsimulation im Melkstand. 

Der Milchfluss der Kuh wird nämlich durch das Hormon Oxytocin ausgelöst und das wird bei einem Saugreflex am Euter ausgeschüttet. Dadurch, dass beim saugenden Kalb mehr Oxytocin ausgeschüttet wird, als im Melkstand, bleibt ein Teil der Milch im Euter zurück und es wird nicht wie üblich leer gemolken. Bei einer Kuh, die nicht parallel säugt wäre so ein Rest problematisch, da er eine Euterentzündung provozieren kann. Für die Landwirte ist dieser Rest aber auch bei der muttergebundenen Kälberaufzucht problematisch, da der dieser Rest besonders fetthaltig ist und dadurch die Milch insgesamt einen geringeren Fettgehalt hat (Bezahlung nach Milchmenge und Inhaltsstoffen).

Durch die Trennung von Kuh und Kalb können die Kälber einzeln betreut werden und werden potentiellen Krankheitserregern der älteren Kühe nicht direkt ausgesetzt. Dadurch, dass die Kälber zu ihrer täglichen Milchration von 6 bis 8 Litern (unter natürlichen Umständen wären es 10-15 Liter Milch pro Tag) in zwei bis drei Durchgängen zusätzlich Kraftfutter und Raufutter aufnehmen, bleibt mehr Milch im Melkstand bei einer frühen Trennung von Kuh und Kalb. Würde das Kalb länger (wenige Tage oder Monate) bei der Kuh bleiben und sich die Bindung zwischen den beiden durch Interaktionen wie Schlecken festigen, dann wäre der Trennungsschmerz deutlich größer.

Wie geht muttergebundene Kälberaufzucht?

Seit 2004 erforscht unter anderem das Thünen-Institut den Kontakt zwischen Kuh und Kalb. Das Thünen-Institut erforscht auch verschiedene Formen der muttergebundenen Kälberaufzucht. Denn auch hier gibt es nicht das eine System.

Grundsätzlich kann eine Kuh mit ihrem in Dauerkontakt (24/7) oder Kurzkontakt (nur nach oder vor dem Melken für eine kurze Zeit) sein. In beiden Fällen hat das Kalb im Schnitt höhere Zunahmen und kann sein Saugbedürfnis am Euter der Kuh befriedigen, wodurch das willkürliche Besaugen (Ohren, Euter, Hoden) unter den Kälbern quasi nicht mehr stattfindet. Das Handling beim Melken wird natürlich durch die Präsenz der Kälber gestört, weil diese für das Melken von der Kuh getrennt werden müssen. Das Thünen-Institut hat übrigens auch rausgefunden, dass eine Kuh im Dauerkontakt zum Kalb nicht wesentlich weniger Milch im Melkstand lässt, als eine im Kurzkontakt. Beide Kühe geben natürlich aber trotzdem immer noch weniger Milch als eine Kuh, die getrennt von ihrem Kalb lebt. Und nicht zuletzt die Trennung von Kuh und Kalb nach der Säugezeit (wie lange muss gesetzlich gesäugt werden  Frühentwöhnung ab 6. Woche) ist deutlich schmerzhafter, als bei einer frühen Trennung.

Alternativ können die Kälber von einer Amme – also einer Adoptiv-Kuh – gesäugt werden. Diese Kuh wird anders, als die Kühe im Dauerkontakt- und Kurzkontakt-System nicht gemolken und zieht zwischen drei und vier Kälber auf. So können die Mütter der Kälber regulär weiter gemolken werden und eine höhere lieferbare Milchmenge erreicht werden. Dadurch, dass eine Amme mehrere Kälber säugt, können ihre Zitzen in Mitleidenschaft geraten und ihr Euter dadurch für die Milchgewinnung unbrauchbar werden; außerdem werden unter Umständen nicht alle Kälber von der Amme gleich gut mit Milch versorgt. Darüber hinaus gibt es den sogenannten „System-Mix“, das ist quasi ein rotierendes Ammen-Verfahren, bei dem immer eine frischabgekalbte Kuh mit ihrem Kalb in eine Ammen-Mutter-Kind-Gruppe kommt. Für jede frisch gebackene Mutter zieht eine ältere Kuh aus der Clique aus. Auch hier säugt eine Kuh mehrere Kälber (die Kälber der älteren Kühe, die wieder in die melkende Gruppe gehen, werden mitversorgt). Problematisch ist hier jedoch, dass sich ältere Kälber gegenüber jüngeren durchsetzen können (vgl. Thünen-Institut).

Wie du siehst, hat die muttergebundene Aufzucht viele Farben und Formen und auch die Wissenschaft hat sie noch lange nicht vollständig erforscht. Bislang scheinen Kälber aus muttergebundener Aufzucht stresstabiler und geselliger zu sein, als Kälber, die früh getrennt wurden.

Ein Beispiel für ein Siegel für muttergebunde Aufzucht findest du hier: https://www.demeter.de/biodynamisches/landwirtschaft/tiere/muttergebundene-kaelberaufzucht (Achtung auch im Demeterbereich ist die muttergebundene Aufzucht nicht die Regel!)

Welche alternativen Haltungssysteme gibt es?

Mutterkuhhaltung

Vorsicht Verwechslungsgefahr! Mutterkuhhaltung ist nicht das gleiche wie muttergebundene Kälberaufzucht. Denn unter „Mutterkuhhaltung“ wird die Haltung von Kühen fleischbetonter Rinderrassen mit ihren Kälbern. Diese Rinder werden nicht gemolken, daher steht ihre Milch auch nicht in der Konkurrenz zum Teller, wodurch sich die „Trennungsnotwendigkeit“ erübrigt. Mutterkuhhaltung findet sich beispielsweise verstärkt in Mecklenburg-Vorpommern. Dort werden die Kälber bis zu einem Alter von 7 oder 8 Monaten mit ihren Müttern zusammengehalten. Anschließend werden sie in der Regel abgesetzt und als „Absatzkälber“ an einen Mastbetrieb weiterverkauft.

Ammenkuhhaltung

Ammenkuhhaltung findet sich sowohl bei Fleischrindern, als auch beim Milchvieh. Eine Amme ist dabei nichts anderes, als eine Adoptiv-Mutter. Adoptieren kann sie bis zu drei zusätzliche Kälber zu ihrem eigenen Kalb, sie gibt also genug Milch, um drei bis vier Kälber durchzufüttern. Für gewöhnlich wird sie nicht gemolken während sie die Kälber aufzieht. Dadurch, dass sie mehr als ein Kalb hat, können ihre Striche (Zitzen) wesentlich stärker strapaziert werden, als bei einer einstelligen Milchkuh.

Kuhgebundene Kälberaufzucht

Die „kuhgebundene Kälberaufzucht“ beschreibt die gemeinsame Haltung von Kuh und Kalb auf einem Milchviehbetrieb. In diesem Zusammenhang ist auch die „ammengebundene Kälberaufzucht“, oder aber eine Kombination aus beiden Formen möglich. Die Kälber können sowohl ganztägig, als auch nur phasenweise mit der Kuh zusammengehalten werden. Für dieses Haltungssystem braucht es geeignete Stallgebäude, die auf die Bedürfnisse der Kälber zugeschnitten sind (Bsp.: Spaltenboden darf sich nicht an den Kühen orientieren, da die Schlitze zu groß sind). Es gibt in diesem Fall nicht das eine System, sondern viele betriebsindividuelle Lösungen.

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