Es folgt eine Roomtour im Auftrag einer biologisch gehaltenen Milchkuh:

Hey! Ich bin Biomilchkuh Rosalie und ich lebe hier in einer rotbunten Herde. Wir sehen zwar alle ähnlich aus, aber 7 von 10 Kühen sind reinrassige „Red Holsteins“, die anderen drei gehören sogenannten „Doppelnutzungsrassen“ an. Das sind Rassen, die sowohl eine passable Milchleistung haben, als auch ordentlich Fleisch auf den Rippen haben (sie sind also etwas molliger als hagere schwarzbunte Kühe).

Mutterschutz für Kühe

Aktuell bin ich trächtig und werde nicht gemolken. Wenn der Landwirt aufhört eine Kuh zu melken, nennt man das im Fachjargon „trockenstellen“, was quasi nichts anderes als ein Mutterschaftsurlaub für Kühe ist. Diesen Urlaub bekommen wir Mädels hier immer 8 Wochen bevor wir unser Kalb gebären. Er ist wichtig, damit wir Kraft tanken können – in dieser Zeit wächst das Kalb in uns nämlich enorm.

Werde ich in den Sommermonaten, also zwischen April bis Ende Oktober trockengestellt, dann genieße ich mit meinen schwangeren Mädels die Weide. Dafür bringt uns unser Stallpersonal mit Absicht sechs Wochen unseres Urlaubs auf eine Weide, die ruhig gelegen ist und von Bäumen und Büschen umgeben ist. Erst zwei Wochen vor der Kalbung werden wir wieder zum Hof geholt. Auf dem Hof müssen wir dann aber nicht auf unseren Weidegang verzichten. Nur nachts werden wir reingeholt, damit unser Personal ein Auge auf uns haben und uns zügig in die Abkalbebox bringen kann. Das ist eine separate Strohbox, in der ich ganz in Ruhe mein Kalb zur Welt bringen kann. Ein weiterer Vorteil der Nacht im Stall ist, dass ich wieder Gefallen an der „Hausmannskost“ finde und meinen Magen langsam wieder vom saftigen Gras entwöhne. Im Winter verbringen wir die Trockenstehzeit in einem ruhigen Bereich im trockenen Stallgebäude. Hier bemüht sich das Personal uns nicht unnötig zu stören, aber gleichzeitig auch nicht aus den Augen zu lassen. In diesem Bereich haben wir spezielle Liegeboxen, die „extra large“ sind – weil wir zum Ende der Schwangerschaft hin immer breiter werden. Diese Boxen sind 1,40 m breit und 2,50 m lang.

Kalbung

Nachdem ich mein Kalb erfolgreich zur Welt gebracht habe, bekomme ich direkt einen Brottrunk (1 Liter). Für die Folgewoche teile ich mir mit den anderen frischgebackenen Kuhmuttis und ein paar älteren Kälbern eine 40 m² große Strohbox, von diesen Mini-Mutti-Apartments gibt es hier vier Stück. Oft kommt es vor, dass alle Trenngitter geöffnet werden und wir uns 160 m² teilen.

Wenn ich nach dieser Ruhewoche gesund und munter bin (keine Verletzungen, Stoffwechselprobleme und kein Fieber), darf ich zurück in meine Herde. Im Winter gibt es hier zwei Herden und im Winter drei.

Milchleistung

Wer mit wem zusammenwohnt entscheidet wer wie viel Milch gibt. Denn diejenigen von uns, die viel Milch geben, brauchen auch mehr Energie vor die Futterluke.

Über den Winter kommen diejenigen von uns, die 100-Tage-in-Milch stehen in eine Herde getrennt von denjenigen, die mehr als 25 Liter Milch pro Tag geben und denjenigen, die weniger Milch geben. So haben wir quasi drei getrennte Winter-Stall-WGs.

Im Sommer in hochleistende (hohe Milchleistung) und niederleistende (abnehmende Milchleistung) getrennt. Wenn ich weniger Milch gebe und ich würde das Futter der anderen futtern, dann würde ich viel zu dick werden und gesundheitliche Probleme bekommen. Ist meine Milchleistung aber sehr hoch und ich bekomme nicht genug Energie, werde ich auch mager und werde krank.

Über den Winter kommen diejenigen von uns, die 100-Tage-in-Milch stehen in eine Herde getrennt von denjenigen, die mehr als 25 Liter Milch pro Tag geben und denjenigen, die weniger Milch geben. So haben wir quasi drei getrennte Winter-Stall-WGs.

Stall

Im Stall haben wir einen „Mistschieber“, das ist so ein Metallgestell, was automatisch über den Boden gezogen wird und unseren Kot abträgt. Unsere Tiefboxen sind hier nicht ganz so groß wie für die werdenden Muttis (1,30 m x 2,30 m) und mit Pferdemist und gehäckseltem Stroh eingestreut. Das Einstreuen ist in der ökologischen Tierhaltung übrigens Vorschrift – hier muss alles von Einstreu bedeckt sein, wo ich liege.

Mir stehen hier insgesamt 6 m² zu (1 m² / 100 kg Lebendgewicht). Richtig, geschlussfolgert – über Gewicht redet die Damenwelt zwar nicht, aber eine Kuh wie ich wiegt gut und gerne 600 kg. In keinem Fall darf mir jemand diesen Platz streitig machen. Im Rahmen der Öko-Kontrolle werden wir sogar durchgezählt und im Falle einer Überbelegung bekommt mein Personal mächtig Ärger.

Weidegang

Vom 1. April bis 15. Oktober bekommen wir Weidegang, das sind 200 Tage. Die EU-Bio-Vorschrift schreibt 125 Tage als Minimum vor und unsere Meierei 150 Tage. Somit bekommen wir rund 50 Tage on top.

Im Sommer geht es morgens früh um 9 Uhr auf die Weide und erst um 16 Uhr wieder in den Stall, so dass wir 7 Stunden Frischluft tanken und Frischgras mampfen, oder einfach in der Sonne baden können. Zu viel Sonnenbaden vertrage ich aber nicht und über 25 °C wird mir zu warm in meiner Haut. Meine Wohlfühltemperatur liegt nämlich eigentlich bei um die sechs Grad. Dann stellt mein Personal meinen Rhythmus um: Es holt mich über den Tag rein und lässt mich ab 18 Uhr bis 5:45 Uhr frei rein und raus laufen, wie es mir in den Kram passt. Das finde ich richtig super!

Aber es wird noch besser, an besonders heißen Tagen baut mein Personal eine Nebel-Dusche (so einen Schlauch mit Löchern drin) vor dem Melkstand auf und ich kann mich abkühlen.

Neben dem Weidegras-To-Go bekommen wir im Stall noch ein Buffet aus Gras-Klee-Getreide-Kraftfutter (Vollmischration). Die meiste Energie steckt im sogenannten „Kraftfutter“, welches quasi einen ähnlichen Effekt wie Zucker auf den Menschen hat. Zwar steigert dieses leckere Zeug meine Milchleistung, mein Personal hat aber die strikte Anweisung mich mindestens mit 60 % Gras und Klee zu futtern. Das ist mein sogenanntes „Grundfutter“, gewissermaßen das Schwarzbrot unter der Marmelade (Kraftfutter).

Den Winter verbringen meine Mädels und ich aktuell noch indoor, aber die Planungen für einen Auslaufbereich laufen auf Hochtouren.

Melken

Gemolken werde ich morgens und abends in einem „Doppel-12-normale-Fischgräte“, das heißt links und rechts stehen sich 6 Mädels gegenüber (mit den Hintern zueinander). Die „Fischgräte“ im Namen leitet sich übrigens davon ab, dass wir wie in einem Fischgrätenmuster (vielleicht kennst du so ein altes Parkett noch) zueinanderstehen, das ähnelt aber auch einem Reißverschluss. Bevor ich gemolken werde warte ich 35-40 Minuten vor dem Melkstand, ein Melkdurchgang (12 Kühe) dauert 12 Minuten.

Hohe Tiergesundheit

Mein Personal sagt, dass es uns überdurchschnittlich gut geht. In den letzten 10 Jahren hat der Tierarzt rund 5 von uns pro Jahr mit Antibiotikum behandeln müssen. Grund für unser Wohlbefinden ist, dass wir ein gutes Stallklima, wenig Stress und hohe Hygienestandards haben. Bevor wir schlimm krankwerden, oder ums Antibiotikum nicht mehr drum rum kommen, versucht unser Personal uns homöopathisch zu helfen. Der Antibiotika-Einsatz im Bio-Bereich ist sehr verpönt, wenn eine Kuh in einem Jahr öfter als dreimal Antibiotikum bekommen hat, muss ihre Milch bis zum Ende der Laktation (also bis zum Trockenstellen) als konventionell verkauft werden. Mein Personal sagt, das sei ein Grund, weshalb einige Bios niemals Antibiotika einsetzen.

Lebensdauer

Im Schnitt werden wir hier zwischen 8 und 9 Jahren alt. Einen „echten“ Kerl sehen wir nur, bevor wir unser erstes Kalb bekommen. Danach besamt uns der Tierarzt und wir überlassen den Jungspunden dem Bullen.

Mein Kalb

Bringe ich ein weibliches Kalb zur Welt, dann bleibt es auf dem Betrieb und ist später Teil der Herde. Meine männlichen Kälber werden überwiegend an einen konventionellen Mastbetrieb verkauft. Mein Personal bedauert das, aber sie haben mir erklärt, dass der Markt nichts Anderes hergibt.

Die ersten 12 Wochen lang bekommen die Kälber Vollmilch, denn Ersatzprodukte, wie Milchaustauscher, die im konventionellen Bereich benutzt werden, sind im Ökobereich verboten.
Als Kalb verbringen wir eine Woche im Einzeliglu und sind danach in Gruppeniglus untergebracht. Vom ersten Tag an haben wir Zugang zum Außenklima unter freiem Himmel.

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