Wann und warum steht die Sau hinter Gittern?

Kennst du die Bilder von Sauen in Käfigen? Warum ist die Sau eingegittert und was versteckt sich hinter den Wörtern „Kastenstand“ und „Ferkelschutzkorb“. Was hat die Tierschutznutztierhaltungsverordnung damit zu tun?

Es gibt zwei Formen von „Sauen-Käfigen“ – beide sind im Aufbau und in ihrem Zweck grundsätzlich verschieden. Im folgenden Beitrag werden beide einmal näher beleuchtet. Solltest du noch offene Fragen haben oder auf Ungereimtheiten stoßen, dann scheue dich nicht mich zu kontaktieren, oder einen Kommentar unter dem Beitrag dazulassen 🙂

Begrifflichkeiten

Hier findest du eine kurze Übersicht über hilfreiche Begriffe im Zusammenhang mit der Sauenhaltung, die dir im kommenden Beitrag über den Weg laufen werden:

Wie sehen nun aber ein „Ferkelschutzkorb“ und ein „Kastenstand“ aus und warum gibt es für so etwas Übergangsfristen?

Ferkelschutzkorb

Die Hauptfunktion des sogenannten „Ferkel-Schutz-Korbs“ lässt sich schon vom Namen ableiten: Der Korb (Sauenkäfig) soll die Ferkel schützen. Vor allem in den ersten drei Tagen nach der Geburt sind die Ferkel nämlich anfällig für Erdrückungsverluste, weil sie in dieser Zeit noch wackelig auf den Beinen sind und allgemeine Unruhe in der Abferkelbucht herrscht. Denn in den ersten drei Tagen bildet sich die sogenannte „Saugordnung“ (Trinkreihenfolge am Gesäuge der Muttersau) aus. Sind die Zitzen der Muttersau unter den Ferkeln verteilt, dann kehrt langsam Ruhe ein, denn normalerweise saugt jedes Ferkel an „seiner“ Zitze. Erdrückungsverluste entstehen vor allem dann, wenn sich die Sau beim Ablegen (Hinlegen) auf ihre Ferkel legt bzw. anders herum Ferkel unter die Muttersau geraten.

Sauen legen sich auf drei verschiedene Art und Weisen ab:

  1. seitliches Ablegen – die Sau lässt sich seitlich hinfallen
  2. Abgleiten lassen an einer Wand, oder einer Schräge
  3. „einfach fallen“ – die Sau „plumpst“ quasi hin (vertikal)

Vor allem bei den Sauen, die sich „einfach fallen lassen“, ist das Risiko für Erdrückungsverluste besonders hoch. Denn hier kommt das „Ablegen“ der Sau für die Ferkel kommt plötzlich und unvorhersehbar. Erdrückungsverluste sind übrigens die Hauptverlustursache für Ferkel. Im Optimalfall liegen die sogenannten „Saugferkelverluste“ – das heißt die Verluste (tote Ferkel) während der Säugezeit (üblicherweise 28 Tage) – bei unter 8 %. Ferkelverluste sind kein Problem, das durch die Nutztierhaltung entstanden ist, sondern auch in der Natur versterben Frischlinge im Kessel der Mutter (Nest der Wildsau bzw. „Bache“) – mit dem entscheidenden Unterschied, dass diese Verluste nicht in der Obhut des Menschen, sondern Mutter-Natur auftreten.

Neben Erdrückung, können folgende Ursachen einen frühen Ferkeltod folgern (Gegen- bzw. Präventivmaßnahmen in Klammern):

  • Mangel an Abwehrstoffen (ausreichende Aufnahme von Kolostrum*)
  • Mangel an Eisen (Ferkel bekommen Eisen ab Tag 3 gespritzt)
  • Unterkühlung (Wärmelampe im Ferkelnest)
  • Kümmern (Erstversorgung des Nabels mit Jod)

    *Kolostrum = Biestmilch, ist die dickflüssigere hochkonzentrierte Muttermilch in den ersten 1-2 Tagen nach der Geburt, sie enthält lebenswichtige Abwehrstoffe (Immunglobuline) für die Ferkel, da die Ferkel wie Kälber ohne aktives Immunsystem auf die Welt kommen und so durch ihre Muttermilch passiv immunisiert werden

Da aber nach wie vor die Erdrückungsverluste die Hauptverlustursache sind, werden aktuell hauptsächlich Ferkelschutzkörbe eingesetzt (links).

Hier geht die Bewegungsfreiheit und damit das Tierwohl der Sau zu Lasten des Ferkelschutzes.

Der Hauptkritikpunkt des Ferkelschutzkorbs ist die eingeschränkte Bewegungsfreiheit und der verminderte Ferkel-Sau-Kontakt. Außerdem ist es der Sau nicht möglich ihr natürliches Nestbauverhalten (i.d.R. einen Tag vor der Geburt) ausleben zu können.

Wie sieht die Zukunft des Ferkelschutzkorbs aus?

Bisher waren die Sauen die volle Säugezeit über, also 28 Tage (gesetzlicher Mindeststandard 21 Tage) im Ferkelschutzkorb fixiert. Mit der 7. Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung ist zukünftig nur noch eine Fixierung der Sauen von maximal 5 Tagen um die Geburt erlaubt. Im Anschluss muss den Sauen eine größere Bewegungsfreiheit von mindestens 6,5 m2 in einer sogenannten „Bewegungsbox“ eingeräumt werden.

Ein Vorteil neben dem Plus an Tierwohl der Sau ist, dass die Ferkel ohne erhöhtes Erdrückungsrisiko ihre Saugordnung in den ersten 5 Tagen festlegen können. Auch in den Bewegungsbuchten treten Ferkelverluste auf, vor allem kurz nach dem Öffnen des Ferkelschutzkorbs (Tag 5). Um diese Verluste aber so gering wie möglich zu halten, sind in Bewegungsbuchten und in Buchten mit freier Abferkelung (ohne Ferkelschutzkorb), „Ferkelabweiser“ und „Abliegewände“ verbaut.

„Ferkelabweiser“ sind Bügel, die an der Wand angebracht sind und verhindern sollen, dass die Sau sich auf ihre Ferkel legt, da diese unter dem Bügel Zuflucht finden können. Eine „Abliegewand“ ist eine angeschrägte Wand beispielsweise aus Holz, die der Sau den Anreiz bieten soll sich an ihr abgleiten zu lassen – so kann beeinflusst werden, wie und wo sich die Sau ablegt. In einer Bewegungsbucht ist häufig ein sogenanntes „Ferkelnest“ abgetrennt, das ist ein abgetrennter Bereich, der nur für die Ferkel zugänglich ist. Häufig haben die Ferkel hier eine Wärmelampe, da sie es wärmer brauchen (in den Anfangstagen circa 35 Grad), als die Muttersau (circa 20 Grad).

Für Ferkelschutzkörbe, die vor 9. Februar 2021 gebaut wurden, gilt ein Bestandsschutz von 15 Jahren – der Tierhalter muss ein entsprechendes Baukonzept und einen Nachweis der Umsetzung bis zum 9. Februar 2033 vorlegen.

Kastenstand

Nach der Säugezeit von 28 (21) Tagen gehen Sau und Ferkel getrennte Wege: Die Sau geht zur Besamung ins „Deckzentrum“. Ihre Ferkel ziehen ins sogenannte „Flatdeck“ um, einen Bereich in dem die Ferkel von rund sechs Kilogramm auf 20-30 Kilogramm gefüttert werden. Auf das Flatdeck folgt die Mast der Ferkel. Diese kann im selben Betrieb (geschlossenes System), oder in einem anderen Betrieb stattfinden.

Im Deckzentrum kommt die Sau in den sogenannten Kastenstand (links), in dem sie künstlich besamt wird. In der Regel wird eine Sau zwischen zwei und dreimal im Abstand von zwölf Stunden besamt. Der Kastenstand vereinfacht die Einzeltierbetreuung und ermöglicht eine einfache Erkennung der Rausche (Brunst der Schweine) und dadurch der Trächtigkeit.

Bislang waren die Sauen im Kastenstand 28 Tage lang fixiert. Ein Vorteil für die landwirtschaftliche Praxis war dadurch, dass das „Umrauschen“, also jene Sauen, die nicht tragend geworden sind und wieder rauschig werden, besser zu erkennen ist. Mit Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung darf eine Sau im Deckzentrum maximal 8 Tage besamungsbedingt fixiert sein. Die neuen Regelungen erschweren damit die Einzeltierbetreuung. Eine weiterer Nachteil ist, dass die Sauen zukünftig vor der Einnistung ihrer Eizellen (vom 5. bis 28. Trächtigkeitstag) in Gruppen gehalten werden. Zukünftig muss der Sauenhalter abwägen, ob seine Sauen direkt nach dem Absetzen der Ferkel, oder direkt nach der Besamung in Gruppen gehalten werden sollen. Denn die Sauen benötigen circa 2-3 Tage Zeit, um ihre Rangordnung innerhalb der Gruppe auszukämpfen. Besonders problematisch sind diese Kämpfe während der Einnistung der Eizellen (5. – 28. Tag der Trächtigkeit). Treten in diesem Zeitraum Kämpfe auf, wird unter Umständen eine erhöhte embryonale Sterblichkeit riskiert.

Zukünftig muss jeder Sau im „Wartestall“ (Abteil, das auf das „Deckzentrum“ folgt) 5 m2 zustehen.

Die Übergangsfrist für Kastenstände, die vor dem 9. Februar 2021 gebaut wurden, beträgt 8 Jahre. Um den vollen Zeitraum in Anspruch nehmen zu können, müssen die Sauenhalter folgende Nachweise erbringen:

  • Vorlage eines Betriebs- und Umbaukonzepts bis zum 9. Februar 2024
  • Vorlage eines Nachweises über einen in diesem Zusammenanhang gestellten Bauantrag bis zum 9. Februar 2026

Auf einen Blick

Bislang werden die Sauen bei einer Säugezeit von 28 Tagen 10 Wochen einzeln und fixiert gehalten (5 Wochen im Abferkelstall und 5 Wochen im Deckzentrum) und 10 Wochen in Gruppen im Wartestall. Summa summarum werden die Sauen zukünftig statt 5 Wochen, insgesamt noch eine Woche fixiert.

Wie groß ist so ein Kastenstand?

Aktuell sind Kastenstände für Jungsauen (erste Abferkelung) 65 cm breit und Altsauenkastenstände 75 cm breit und 2 m lang. Ein Kastenstand ist in der Regel 1,15 m hoch.

Zukünftig gilt:

  • Kastenstandsbreite: muss an die Größe (Widerrist) der jeweiligen Sau angepasst werden (65-85 cm) – darf nicht so breit sein, dass sich die Sau umdrehen kann (Verletzungsrisiko), muss aber ausreichend breit für eine Seitenlage sein
  • Länge des Kastenstands: 2,20 m (2 m sind nach heutiger Erkenntnis für ein ungestörtes Aufsteh- und Abliegeverhalten nicht ausreichend)

    (vgl. Siebte Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung : 13)

Warum gibt es Übergangsfristen?

Wie bereits erwähnt sind die Übergangsfristen an die Verpflichtung zum Nachweis des Umbaus geknüpft. Die Änderungen der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung bedeuten erhebliche Umbaukosten für den Sauenhalter, für den es sich an dieser Stelle um eine langfristige Investition handelt. Investitions- und Umbaukosten stehen in diesem Fall dem Ferkelpreis gegenüber, denn die Haupteinnahmequelle der Sauenhalter sind schlussendlich das „fertige Produkt“, hier die Ferkel. Der Ferkelpreis wird neben der Afrikanischen Schweinepest (ASP) und Ausnahmesituationen (vgl. Corona-Situation), auch von dem Preisniveau im Ausland beeinflusst. An dem Punkt, an dem Ferkel im Ausland günstiger „erzeugt“ werden können, werden mehr Ferkel aus dem Ausland zugekauft und in Deutschland fertig gemästet; oder als fertig gemästetes Mastschwein lediglich für die Schlachtung importiert. Wichtig ist hier zu bedenken, dass diese Tiere erst mit Übertritt der deutschen Landesgrenzen dem deutschen Tierschutz unterliegen. Das heißt, dann werden im schlimmsten Fall Ferkel von Sauen aus Ferkelschutzkorbhaltung importiert und weitergemästet.

Du hast Fragen, Anmerkungen, Feedback? Dann scheue dich nicht dich in den Kommentaren zu Wort zu melden, oder direkt mit mir in den Kontakt zu treten 🙂

Die siebte Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung findest du hier.


Literaturquellen:

  • AgE (2020): Kastenstand-Verbot: So sehen die Übergangsstufen aus, Topagrar, [online] https://www.topagrar.com/schwein/news/kastenstand-verbot-so-sehen-die-uebergangsstufen-aus-12104006.html [abgerufen am 09.03.2021].
  • Agrarheute (o.J.): Ferkelpreis, Agrarheute, [online] https://www.agrarheute.com/tag/ferkelpreis [abgerufen am 09.03.2021].
  • Arden, Marcus / Deter, Alfons (2020): Bundesrat stimmt für Abschaffung des Kastenstandes, Topagrar, [online] https://www.topagrar.com/schwein/news/bundesrat-stimmt-fuer-abschaffung-des-kastenstandes-12103433.html?utm_campaign=search&utm_source=topagrar&utm_medium=referral [abgerufen am 09.03.2021].
  • Bundesanzeiger Verlag (2021): Siebte Verordnung zur Änderung der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung, Bundesanzeiger Verlag, [online] https://www.bgbl.de/xaver/bgbl/start.xav?startbk=Bundesanzeiger_BGBl&start=//[@attr_id=%27bgbl121s0142.pdf%27]#bgbl%2F%2F%5B%40attr_id%3D%27bgbl121s0142.pdf%27%5D__1615291781039 [abgerufen am 09.03.2021].
  • Deter, Alfons (2021): Neue Tierschutznutztierhaltungsverordnung im Bundesgesetzblatt, Topagrar, [online] https://www.topagrar.com/schwein/news/neue-tierschutz-nutztierhaltungsverordnung-im-bundesgesetzblatt-12473628.html [abgerufen am 09.03.2021].
Beitag teilen:

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Unterstütze unabhängigen Journalismus

Alle Inhalte auf dieser Webseite sind unabhängig und freiwillig recherchiert. Damit dieses Format neutral bleiben kann, braucht MeinTierDeinTier deine Hilfe. Dir gefällt das Konzept, ein Beitrag hat dir weitergeholfen oder du hast neue Erkenntnisse gewonnen? Dann lass gerne einen Unterstützer-Groschen da, damit MeinTierDeinTier eine Zukunft hat.